著者
平松 智久
出版者
九州大学独文学会
雑誌
九州ドイツ文学 (ISSN:09145842)
巻号頁・発行日
no.25, pp.1-25, 2011

Für „eine wahre Wiedergeburt" (MA15, 174) reiste Goethe (1749-1832) 1786 nach Italien, wo er innerhalb von etwa zwei Jahren die Vision der „Urpflanzen" hatte und er „einen zweiten Geburtstag" als Künstler bzw. als Dichter erlebte. Darüber schreibt er in der Italienischen Reise (1829), die Aus meinem Leben Zweiter Abteilung (1816-17) und den Zweiten Römischen Aufenthalt (1829) enthält. Aber es ist merkwürdig, dass beide Bücher erst ein viertel Jahrhundert nach seinem Erlebnis in Italien publiziert wurden und es scheint, als ob sie getrennt wären: Während das erste als Zweite Abteilung Erster und Zweiter Teil von Dichtung und Wahrheit angelegt ist, wurde das zweite noch später publiziert und dazu mit einem völlig anderen Titel. Das weist auf zwei getrennt voneinander zu sehende Entwicklungen in Goethes Denken hin; zunächst – gewissermaßen „im besten Mannesalter" – verbindet er in Italien die Dichtung mit seinen Naturforschungen, in späteren Jahren beschreibt der alte Goethe sein eigentlich italienisches Erlebnis. Aus einer größeren zeitlichen Distanz sollte er später seinen Werdegang überblicken und selber den Unterschied zwischen dem erstem und dem zweiten Aufenthalt in Rom reflektieren. Aber warum sollte der Zweite Römische Aufenthalt so viel später als die ersten beiden Bände publiziert werden? Zum 10. April 1829 überliefert Eckermann eine Äußerung von Goethe, wonach seine Briefe, die während des zweiten Aufenthalts in Rom entstanden, mit der Italienischen Reise nichts zu tun hätten, er habe aber darin „manche Äußerungen, die meinen damaligen inneren Zustand ausdrücken" (MA19, 324) gefunden. Nun habe er „den Plan [gehabt], solche Stellen auszuziehen und einzeln über einander zu setzen, und sie so meiner Erzählung einzuschalten, auf welche dadurch eine Art von Ton und Stimmung übergehen wird" (MA 19, 324f.). Goethe schreibt also, nach eigenem Bekunden, mit seinem autobiographischen Artikel zugleich eine „Erzählung"! Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, zu erforschen, wie diese „Erzählung" genau beschaffen ist und worin ihr „erzählerischer" Charakter besteht. Der Zweck ist, den Kern seiner dichterischen Entwicklung in Italien darzustellen, und das Thema seiner „Erzählung" klar zu machen. Dazu lohnt sich auch eine Betrachtung des Römischen Carnevals (1789), weil das Buch zweimal fast ohne Veränderungen publiziert wird; zunächst 1789 sofort nach seiner Rückkehr nach Weimar und eben 1829 am Ende des Zweiten Römischen Aufenthalts. Am Anfang des Römischen Carnevals führt der Erzähler aus: „Indem wir eine Beschreibung des römischen Carnevals unternehmen, müssen wir den Einwurf befürchten: daß eine solche Feierlichkeit eigentlich nicht beschrieben werden könne" (MA3.2, 218/ MA15,572), denn „eine so große lebendige Masse sinnlicher Gegenstände sollte sich unmittelbar vor dem Auge bewegen, und von einem jeden nach seiner Art angeschaut und gefaßt werden," (MA3.2, 218/ MA15,572) – und weil „das römische Carneval einem fremden Zuschauer, der es zum erstenmal sieht und nur sehen will und kann, weder einen ganzen, noch einen erfreulichen Eindruck gebe, weder das Auge sonderlich ergötze, noch das Gemüt befriedige" (MA3.2, 218/ MA15, 572). In der Tat konnte auch Goethe den Karneval zunächst nicht „verstehen", so dass er sich auch nicht abgehalten fühlte, bald darauf nach Süden abzureisen. Die Beschreibung seines ersten Karnevalserlebnisses bildet den Trennpunkt zwischen dem ersten und zweiten Teil der Italienischen Reise. Deswegen bedeutet der römische Carneval – ein Text, den Goethe nach dem zweiten Italienerlebnis schrieb – eben einen Refocus, d.h. den Versuch, das Unbeschreibbare zu beschreiben. Dazu wird das Gleiche danach im Zweiten Römischen Aufenthalt auch das Hauptthema des ganzen Buches und gewissermaßen auch des Lebens des alten Dichters selbst. Darin besteht nämlich der „Beschreibungsversuch des Unbeschreibbaren". Darüber hinaus soll untersucht werden, was das Unbeschreibbare für ihn war, und wie er es dann doch „beschrieb". Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird der Prozess seines beschreibenden Blicks zur Einfachen Nachahmung der Natur, Manier, Stil (1789) betrachtet. Goethe glaubte, ihn unterwegs auf der Reise nach Süden gefunden zu haben und schreibt am 17. Mai 1787 an Herder: „Sie [die Griechen wie Homer] stellten die Existenz dar, wir [die Neueren wie Goethe] gewöhnlich den Effekt; Sie schilderten das Fürchterliche, wir schildern fürchterlich; Sie das Angenehme, wir angenehm, u.s.w." (MA15, 393). Der Verzweifelte habe deswegen begonnen, die Natur in Gemälden anzusehen und wiederzufinden und zu lesen (Vgl. MA15, 427), so dass die Kunst für Goethe „wie eine zweite Natur" (MA15, 464) wird. Dafür spielt seine Naturforschung eine große Rolle. Im zweiten Kapitel wird der Entwicklungsprozess seiner Naturlehre betrachtet; von Naturphilosophie, Mineralogie, Anatomie, Biologie bis zur Morphologie und Farbenlehre. Goethe glaubt an die Konsistenz der Natur, so dass er in seiner Naturforschung nicht nur Zwischenknochen des Menschen entdeckt, sondern auch den Begriff der „Urpflanzen" entwirft, deren Gedanke als „Urtyp" sich zur Idee der „Metamorphose" entwickelt. Mit anderen Worten kann man sagen, dass der Gedanke des Urtyps sich auf das „Was" in der Naturschilderung bezieht, während die Beschreibung der Metamorphose das „Wie" thematisiert; worauf der Umstand schließen lässt, dass Goethe in seiner Eigenschaft als Naturliebhaber das Wort „Urpflanzen" niemals in seiner Metamorphose der Pflanzen (1790) benutzte. Dieser Begriffsverzicht illustriert die „trübe Beschreibungsart": Man unternimmt eigentlich umsonst, „das Wesen eines Dinges" (z. B. Das Licht oder die Finsternis) auszudrücken und deshalb wünscht man durch eine vollständige Geschichte von deren „Wirkungen" im sogenannten „Trüben" (das nach Goethe zwischen Licht und Finsternis existieren soll,) höchstens das Wesen jenes Dinges zu umfassen, so dass ein Bild einem entgegentreten wird (Vgl. LA4, 3). Im dritten Kapitel wird erläutert, dass Goethe eben diese „trübe Beschreibungsart" auf den römischen Carneval angewendet hat. Dies führt er selbst in Schicksal der Handschrift aus; drei Aufsätzen, die ebenfalls 1789 entstehen, so dass der römische Carneval mutmaßlich viel mit den anderen zwei Arbeiten zu tun haben sollte. Auch befasst sich Goethe in Das römische Carneval ausdrücklich mit einem von ihm so genannten ergänzenden „dritten" zu den beiden Hauptthemen der anderen Schriften: „Wie aus dem Zusammentreffen von Notwendigkeit und Willkür, von Antrieb und Wollen, von Bewegung und Widerstand ein drittes hervorgeht, was weder Kunst noch Natur, sondern beides zugleich ist, notwendig und zuföllig, absichtlich und blind" (LA9, 62). Goethe, der Teilnehmer am Karneval, trägt auch „eine Maske" als „der Fremde" (MA3.2, 229), damit er die Wahrheit des Ereignisses aus einer kritischen Distanz erfassen kann, und er bedenkt„die wundersame Komplikation der menschlichen Natur, in welcher sich die stärksten Gegensätze vereinigen, Materielles und Geistiges, Gewöhnliches und Unmögliches, Widerwärtiges und Entzückendes, Beschränktes und Grenzenloses..." (MA15, 558). Sein Beschreibungsversuch des Unbeschreibbaren sowohl im römischen Carneval als auch im Zweiten Römischer Aufenthalt besteht darin, „den natürlichen Zustand mit dem unnatürlichsten in unmittelbare Berührung, ja zur Vereinigung" zu bringen (MA15, 558). Er versucht, „das Leben im Ganzen" (MA3.2, 250/MA15, 607) bzw. das Ganze im Leben zu begreifen und seine „Erzählung" mithilfe der „trüben Beschreibungsart" zu verfassen.

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