- 著者
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平松 智久
- 出版者
- 九州大学独文学会
- 雑誌
- 九州ドイツ文学 (ISSN:09145842)
- 巻号頁・発行日
- no.22, pp.43-56[含 ドイツ語文要旨], 2008
Goethes Faust beginnt in der „Zueignung" mit folgenden Worten: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt." (V. 1f.) Es bleibt unbestimmt, wer zu wem spricht oder wem diese Zeilen zueignet sind. Diese Frage wird in der Forschung schon seit Langem diskutiert. In der vorliegenden Arbeit wird eine Interpretation versucht, die mit Hilfe eines zentralen Begriffs aus der Farbenlehre – und zwar des „Trüben" – nicht nur das erste Gedicht interpretiert, sondern auch die Erlösungsstruktur des ganzen Faust in ein neues Licht stellt. Für Goethe ist „das Trübe" ein „durchsichtiges" Medium der Polaritäten zwischen Licht und Finsternis oder „Licht und Nichtlicht" (d. 744). Im „Trüben" erscheinen die verschiedenen Farben, die „Taten des Lichts, Taten und Leiden" (LA I 4,3) sind. Goethe betrachtet dieses Mittel nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv und stellt es in seiner poetischen Beschreibungsart dar. Damit gliedert er „das Trübe" in die Begrifflichkeit seiner Naturästhetik ein. Was man im „Trüben" erkennen kann, ist die übersetzte Sprache der Natur. Ohne „das Trübe" könnte man nichts begreifen (Vgl. LA I 11, 244). In diesem Sinne sind „schwankende Gestalten" (V. 1) als Erscheinungen „des Trüben" in der Natur zu verstehen, die den Zuschauer ansprechen. Der Grad des Konflikts der Polaritäten ist so „unendlich" (d. 148), dass sowohl die Farben als auch die Natur bunt und lebendig erscheinen. Alle Widerspruchszustände sollen nach Goethe trotzdem in der Einheit (wie im Farbenkreis) verbleiben und sich gleichzeitig immer nach dem Ganzen steigern. Als ein solches steigerndes Prinzip wirkt „das Trübe" nicht nur an der Außenseite, sondern auch der Innenseite der Augen; nicht nur „materiell", sondern auch „geistig" (HA 13, 48). Aufgrund dieser Ambivalenz wurde Faust in Goethes letztem Brief von diesem als einer „diese[r] sehr ernsten Scherze" (WA Ⅳ49[142], 283) bezeichnet, ganz wie das Oxymoron in Goethes Beschreibung über Die Natur (HA 13, 45ff.): „Spiel, dem es bitterer Ernst ist" (HA 13, 48). Im Faust werden besondere Zeiträume des „Trüben" konstruiert, sofern das sich gegenseitig Widerstehende miteinander gleichzeitig existieren und wirksam sein kann, die Grenze von Zeit und Ort überschreitend, um nach einem Ganzen zu streben und sich zu steigern. Die Eigenschaft der trüben Welt im Faust besteht in der Gleichzeitigkeit aller Erscheinungen. Wegen ihrer speziellen Eigenschaft kann man ebenso wie die verschiedenen Grade des „Trüben" auch die Kennzeichen des „Trüben" auf anderen Ebenen im Werk beobachten. Zuerst kündigt die Szene des Erdgeistes solch eine trübe Welt an, in der Faust vergebens die „unendliche Natur" (V. 455) zu fassen versucht. Aber er vermag (noch) nicht, den Erdgeist zu begreifen, der im ewigen wechselnden Meer von „Geburt und Grab" das glühende Leben webt, denn Faust erfasst nicht die Ganzheit, sondern die Begrenztheit des Lebens. Um seine Begrenztheit zu umgehen, setzt er die Giftschale an den Mund (nach V. 736). Es entsteht die sogenannte ‚trübe Welt des Faustsʼ, die ihre Rahmenstruktur durch die Engelschöre (V. 737ff. u. V. 11676ff.) erhält. Faust verspürt eine verzehrende Sehnsucht nach dem Licht und strebt nach dem Ganzen, bis er nicht mehr seine Welt „am lichten Tag" (V.672) erleidet, sondern nach „ein[em] neue[n] Tag" (V. 701) sucht und ihn (V. 12093) auch findet. Wir können anhand der Veränderung des Lichtes im Werk beobachten, dass Faust hier die Schwelle des „Trüben" überschreitet. Nach seinem Tod wird der Tag als „Gloria von oben" (nach V. 11675) bezeichnet. Allein auch der „Nicht mehr Getrübte" (V. 12074) gestorbene Faust kann das Licht nicht direkt sehen, darüber hinaus auch nichts ohne „leichte Wölkchen" (V. 12014), nichts ohne „das Trübe" sehen. Das beweist der Ausspruch von „sonst Gretchen genannt" in den „Bergschluchten": „Noch blendet ihn [Faust] der neue Tag." (V.12093). In diesem Sinne kann man sagen, dass „Faustens Unsterbliches" (nach V. 11824) nicht aus seiner trüben Welt entfliehen kann, sondern immer dort streben soll. Mit anderen Worten: In der Bestimmung, dass der Mensch ganz und gar menschlich sein soll, und dass er aus der Sphäre des „Trüben", wo die Menschen ewig tätig sind, niemals fliehen kann, entdeckt Goethe das Licht der Hoffnung als Erlösung. Was sieht denn der „sonst Faust genannt" am Ende des Werkes in den „Bergschluchten", wenn er seine Augen vor dem „Trüben" von „sonst Gretchen genannt" öffnet? Das könnte das sein, was das „Ich" in der „Zueignung" im „Trüben" sieht. Das hieße, in dieser Tragödie kehrt das Ende zum Anfang zurück, so wie Goethe in Maximen und Reflexionen schreibt: „Das ist der glücklichste Mensch, der das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Verbindung setzen kann" (FA 13, 16). In der „Zueignung" eignet der „trüb[e] Blick" (V. 2) von „sonst Faust genannt" sich „dem Trüben" von „sonst Gretchen genannt" zu und gleichzeitig eignet auch „das Trübe" sich ihm zu.