著者
大羅 志保子
出版者
日本オーストリア文学会
雑誌
オーストリア文学 (ISSN:09123539)
巻号頁・発行日
no.21, pp.14-22, 2005-03-31

Viele Osterreicher waren uberrascht, am Tag der Verkundung des Literatur-Nobelpreistragers den Namen Elfriede Jelinek zu horen. Denn einen Tag vorher war noch berichtet worden, dass die Osterreicherin Friederike Mayrocker Mitfavoritin sei, dass man in Stockholm mit einer Frau als Preistragerin rechne. Letzteres traf dann auch zu. Es wurde aber eine Autorin mit dem Preis gekront, die hierzulande als "Nestbeschmutzerin", "radikale Feministin" usw. bekannt ist. Nachdem sich die erste Uberraschung gelegt hatte, teilte rich die offentliche Meinung in zwei Lager. Kein Nobelpreis war bisher so ausfuhrlich und kontroversiell im Netz diskutiert worden. Uberraschung herrschte aber auch in Deutschland und vielen anderen, nicht nur europaischen Landern. Der im Aufsatztitel zitierte Satz von Margit Schreiner, die uber das masslose Erstaunen der Besucher der Frankfurter Buchmesse berichtet, deutet auf die international eher geringe Popularitat von Jelinek hin. Fur die Deutschen hingegen, denen Jelinek bekannt genug ist, und zwar als "grosse Regionalschriftstellerin", war schwer zu verstehen, warum gerade eine durch und durch osterreichische Autorin mit dem Nobelpreis gekront wird. Elfriede Jelinek kennt in Osterreich jeder. Fur ihre Gegner ist sie die "Nestbeschmutzerin" Nummer eins. Mit diesem Ausdruck werden in der Regel so genannte Staatskunstler bezeichnet, die sich wahrend der Ara sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung vermeintlich dafur bezahlen liessen, das Land und seine Bewohner wegen deren unbe-waltigter Nazi-Vergangenheit zu geisseln und gleichzeitig jede Veranderung der politischen Machtverhaltnisse prophylaktisch als potenziellen Ruckfall in die faschistische Barbarei zu brandmarken. Jelinek, deren Familienmitglieder Nazi-Opfer waren, fuhlte sich verpflichtet, Vergangenheitsbewaltigung rigoros einzufordern und in diesem Prozess auch gleich mit dem Patriarchat aufzuraumen. Das ist ein Grund dafur, warum sie die abstrakt-avantgardistische Form des Engagements der Wiener Gruppe, deren sprachkritischem Aspekt sie sich zugehorig erklart, nicht teilt und sich direkt an die politische Front stellt. Im Jahr 2005 feiert Osterreich mehrere Jubilaen gleichzeitig, u.a. 60 Jahre Kriegsende und 50 Jahre Staatsvertrag. Die von der Volkspartei dominierte Regierung strebt danach, die Euphorie der Zeit des Wiederaufbaus erneut aufkommen zu lassen und unter den Burgern eine Art Heimatliebe zu wecken. Angesichts dieser Bestrebungen hat die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Jelinek, die weder "Patriotin" noch "Blume im Knopfloch Austrias" sein will, ihr Vater-Land in Entsetzen versetzt und die allgemeine Freude gedampft. Auch Jelinek selbst verspurt trotz des hohen Preisgeldes "mehr Verzweiflung als Freude". In ihrer Nobelpreisrede sprach sie von der Existenz des Schriftstellers am Rand der Gesellschaft, allein gelassen mit der Sprache. Der Germanist W. Schmidt-Dengler kommentierte daraufhin, fur Jelinek sei das Thema Osterreich erledigt, es liege nun an den Osterreichern, ihre Bucher richtig zu lesen. Ob jener osterreichische Konflikt: "Nestbeschmutzer" versus "latente Faschisten" anlasslich der Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Jelinek endlich gelost werden wird, das wird in Zukunft von Interesse sein.