- 著者
-
福元 圭太
- 出版者
- 日本独文学会西日本支部
- 雑誌
- 西日本ドイツ文学 (ISSN:09155376)
- 巻号頁・発行日
- vol.18, pp.1-16, 2006-10-10
Seit seiner Kindheit war Goethe der Leitstern für Haeckel und blieb es auch sein ganzes Leben lang. Haeckel beschäftigte sich unter dem Einfluss von Ferdinand Wiek, dem Professor des Dom-Gymnasiums zu Merseburg, und von Johannes Müller, dem Professor der Berliner Universität, sehr intensiv nicht nur mit dem Dichter, sondern auch mit dem Naturwissenschaftler Goethe. Wilhelm Bölsche, der Verfasser einer Hiaeckel-Biographie, meinte einmal, Haeckel habe sich zeit seines Lebens „als Apostel [...] eines geheimen ,Evangelium Goethe' "gefühlt. Goethes monistisch-pantheistische Weltanschauung, zu der er durch sein SpinozaStudium gelangt war, beeinflusste Haeckel ganz entscheidend. denn auch der Darwinismus, zu dem er sich bekannte, leugnet den christlich-pesönlichen Gott. Bölsche bemerkt dazu: ,,Goethe hat ihm [Haeckel] seinen Gott zugleich genommen und gegeben: -- genommen den kirchlich persönlichen Gott, der ,nur von außen stieße'; gegeben den Gott, der im All, in der ewigen Entwicklung, in Leib und Seele zugleich ist, der ,er selbst ist' als Inbegriff alles Wirklichen, alles Seienden [...]". Haeckel ging sogar so weit zu behaupten, Goethe sei, neben Darwin und Lamarck, einer der Begründer der Deszendenztheorie (Entwicklungslehre). Obwohl sein Hauptwerk Generelle Morphologie der Organismen (1866) ein fachwissenschaftliches Buch der Biologie ist, finden sich darin zahlreiche Zitate aus den literarischen und naturwissenschaftlichen Schriften Goethes. Schon der Titel des Buches ist eine Hommage an Goethe, da die Morphologie neben der Farbenlehre ein von Goethe begründeter Wissenschaftszweig ist. Ob Goethe aber wirklich etwas mit der Deszendenztheorie zu tun hatte, ist eine ganz andere Frage. Kurz vor seiner Reise nach Italien schrieb Goethe an Frau von Stein (am 15. Juni 1786): „Wie lesbar mir das Buch der Natur wird kann ich dir nicht ausdrücken, mein langes Buchstabieren hat mir geholfen". Das Geheimnis der Natur wurde Goethe durch die Pflanzen ,,lesbar". In einem anderen Brief an Frau von Stein (vom 9. Juli 1786) schrieb er: „Das ungeheure Reich [Pflanzenwesen] simplificiert sich mir in der Seele, daß ich bald die schwerste Aufgabe gleich weglesen kann". In Italien ist Goethe dann gerade mitten in der Mannigfaltigkeit der südländischen Pflanzenwelt paradoxerweise auf die Idee einer Urpflanze, eines Grund- und Idealtypus aller Pflanzen, gekommen. Für Goethe ist die Pflanzenwelt nichts anderes als die Gesamtheit der Metamorphose dieser Urpflanze als Grundtypus der Pflanzenwelt. Bei Goethe aber finden sich keine phylogenetischen Gedanken, die die Voraussetzung der darwinistischen Deszendenztheorie darstellen. Das Missverständnis Ernst Haeckels besteht darin, dass er in Goethes Urpflanze eine Stammform der Pflanze sieht und die Metamorphose als phylogenetische Entwicklung interpretiert.