- 著者
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宮城 保之
- 出版者
- 日本独文学会
- 雑誌
- ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
- 巻号頁・発行日
- no.142, pp.120-132, 2011-03-25
Theologische Interpretationen uber Walter Benjamin wurden bisher hauptsachlich unter dem Gesichtspunkt der judischen Religion bzw. im Hinblick auf den Umgang mit den Theologen, die zu Lebzeiten mit ihm verkehrten, durchgefuhrt. In diesem Aufsatz wird aber versucht, die Korrespondenz zwischen ihm und dem protestantischen Theologen Paul Tillich als Korrespondenz zwischen zwei zeitgenossischen Kulturtheologen zu verstehen. Ausgangspunkt ist der von Tillich 1919 gehaltene Vortrag Uber die Idee einer Theologie der Kultur. Darin bestimmt er die Theologie als Teil der normativen Kulturwissenschaften und entwirft eine Kulturtheologie, die zuallererst das Kunstwerk zum Gegenstand hat. Die Religion wird als "Erfahrung des Unbedingten" gekennzeichnet, und deren Ausdruck in der weltlichen Kultur wird thematisiert. Damit zielt er auf den Ubergang von der autonomen Kultur zur theonomen. In ersterer gilt die Vollendung der Form als das Ziel kunstlerischen Strebens, in der zweiten aber geht es um die Offenbarung eines Gehalts, der allein durch das Zerbrechen der Form zum Vorschein kommen kann. Kennzeichen religioser Kunst ist namlich nicht ein moralischer Inhalt des Werks, sondern die den Inhalt vernichtende radikale Negation der Form und die so zustande kommende Offenbarung des Gehalts. Dieser Entwurf der Kulturtheologie Tillichs korrespondiert in nicht wenigen Punkten dem theologischen Denken Benjamins. Erstens betrachtet auch Benjamin ausfuhrlich das Verhaltnis von Form und Gehalt aus theologischer Perspektive; bei ihm entspricht es jedoch dem Verhaltnis vom Griechischen zum Orientalischen bzw. vom Mythischen zum Gottlichen. In Zwei Gedichte von Friedrich Holderlin bezeichnet er den Gehalt als das orientalische, Grenzen uberwindende Prinzip, das das griechische gestaltende Prinzip aufhebt. In Zur Kritik der Gewalt kommt das Verhaltnis zwischen der rechtsetzenden mythischen und der rechtsvernichtenden gottlichen Gewalt zum Ausdruck. Und wie Tillich die Form als unentbehrliche Vermittlungsinstanz fur die Offenbarung des Gehalts ansieht, so gilt auch bei Benjamin das Mythische vor allem in der Literatur als unentbehrliche Voraussetzung fur die Erwartung des Messianischen. In Goethes Wahlverwandtschaften regiert die mythische Kraft als leise Verfehltheit das Verhaltnis zwischen den Gestalten. Im Werk Kafkas erscheint die mythische Ordnung noch deutlicher als "Entstellung" der Figuren wie jener Odradeks. Andererseits deutet Tillich das Zerbrechen der Form in der expressionistischen Kunst als Ausdruck eines Schuldgefuhls der Existenz im kosmischen Sinne. Zweitens kann man den symbolischen Charakter der Kultur anfuhren. Um in der bedingten Kultur das Unbedingte zu erfahren, braucht man die Kraft der schonungslosen Negation. Auf dieser Wendung vom radikalen Nein zum radikalen Ja beruht der symbolische Charakter der Kultur. In der 1921 veroffentlichten 2. Ausgabe des Vortragstexts anderte Tillich die Definition der Religion von der "Erfahrung des Unbedingten" zu "Richtung auf das Unbedingte". Benjamin sah auch 1918 die Aufgabe der kommenden Philosophie darin, die Erfahrung und Lehre von Gott zu ermoglichen; in der 1921 veroffentlichten Aufgabe des Ubersetzers soll aber die refine, d.h. gottliche, Sprache allein durch einander erganzende "Intentionen" fremder Sprachen erreichbar werden. In den Begriffen "Richtung" und "Intentionen" zeigt sich hier das symbolische Verhaltnis der Kultur zur Religion deutlicher. Als literarisches Beispiel dafur kann man Kafkas Werk anfuhren. Im Gegensatz zu den theologischen Interpretationen uber Kafka seit Brod richtet Benjamin seine Aufmerksamkeit auf darin auftretende Gesten. Sie haben zwar keine sichere symbolische Bedeutung, spielen aber auf etwas an, das auch dem Verfasser unverstandlich ist. Es ist nach Benjamin die Gnade des Werkes Kafkas, dass dieses Etwas nicht festgelegt wird und unvollendet bleibt. Tillich beachtet auch Symbole in den Romanen Kafkas, sieht diese aber als Symbole der Angst, die auf etwas Angsterregendes, jedoch Unbestimmtes, gerichtet sind. Obwohl sich Benjamin wie Tillich fur die symbolische Dimension der Sprache interessiert, spielt bei ihm die Allegorie eine entscheidende Rolle fur die Erlosung. Sie beruht auf dem judischen Messianismus, der im Gegensatz zum christlichen keine Inkarnation kennt und die Erlosung als Ausgleich fur die Katastrophe ansieht. Sowohl nach Tillich als auch nach Benjamin beruhen die stilistischen Merkmale der avantgardistischen Kunst auf der damals vorherrschenden theologischen Forderung, bei der das Negative eine unentbehrliche Rolle spielt. Theologisch gesehen gilt es als Widerstand gegen die pseudoreligiose Ideologisierung der Kultur. Andererseits darf aber auch nicht vergessen werden, dass eine dialektische bzw. paradoxe Verbindung des Negativen mit dem Positiven immer gefordert werden soll, die allein theologisch begrundet werden kann.