著者
金 志成
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.160, pp.141-154, 2020 (Released:2021-06-04)

„Die vielen Preise für literarisches Schaffen, die heute in der ganzen gebildeten Welt verliehen werden, bezeugen den Glauben der Oeffentlichkeit, Schriftstellern etwas schuldig zu sein.“ – Emil Staigers Rede über Literatur und Oeffentlichkeit, die er 1966 anlässlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Stadt Zürich hielt, bezeugte ironischerweise das Gewicht dieses „Glauben[s] der Oeffentlichkeit“, als sie mit der reaktionären Kritik an der Gegenwartsliteratur den „Zürcher Literaturstreit“ auslöste, in dessen Folge der Nimbus des Kritikers Staiger allmählich verblassen sollte. Solange sie veröffentlicht wird, kann Literatur nicht unabhängig von der Öffentlichkeit sein, die aber nicht uneingeschränkt mit der Leserschaft gleichgesetzt werden darf. Während letztere sich für den vom Autor geschriebenen Text interessiert, will erstere die Stimme des Autors hören. In diesem Sinne sind die heute in Deutschland veranstalteten Lesungen und Poetikvorlesungen als Teil der literarischen Öffentlichkeit anzusehen, in der sich der Austausch zwischen dem realen Autor und der Öffentlichkeit verwirklichen lässt. Scheinbar gleichgültig gegenüber den Tendenzen postmoderner Literaturtheorie wie der „Tod des Autors“ oder die „Logozentrismus-Kritik“ nimmt in der Öffentlichkeit die Präsenz des Autors immer mehr zu. Eine solche Vorstellung von Öffentlichkeit hat aber ihre Grenzen, die offensichtlich werden, wenn man sich einem Autor wie Thomas Melle zuwendet, der wegen seiner bipolaren Störung schon mit dem Betreten des öffentlichen Raums, wie er sagt, „überfordert“ sei. Weil er über die von Habermas vorausgesetzte „kommunikative Rationalität“ nicht verfügt, steht Melle unvermeidlich „alleine in der Ecke“, wenn er aus der Öffentlichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Sein jüngstes autobiographisches Werk Die Welt im Rücken (2016), in dem der Autor seine manisch-depressive Erkrankung zum ersten Mal öffentlich machte, lässt sich – so die These – als ein Vorhaben lesen, gewissermaßen in der „Ecke“ der Öffentlichkeit eine „alternative Öffentlichkeit“ bzw. „Gegenöffentlichkeit“ zu konstituieren. Ausführlich rekapituliert wird in diesem Buch jeder dreiste und manchmal auch skandalöse Auftritt des Autors in den öffentlichen Veranstaltungen, was nicht nur sein public image als Schriftsteller schädigte, sondern ihn darüber hinaus zu einer „Gestalt aus Gerüchten und Geschichten“ machte. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
川野 正嗣
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.164, pp.58-72, 2022 (Released:2023-08-06)

Die Technik, die von den deutschen Schriftstellern des neunzehnten Jahrhunderts gemieden wurde, wurde in der Literatur als Magie oder Hexerei dargestellt. Goethes Gedicht Der Zauberlehrling ist ein Kommentar zu den Gefahren der Technik. Im zweiten Teil von Faust nutzt ein seltener Zauberer seine magischen Kräfte, um einen Homunkulus zu schaffen und die Natur zu beherrschen. Seltsamerweise hat sich die Zeit so entwickelt, wie Goethe es vorausgesagt hat: Die Maschinentechnologie ist in den Bereich der Moral eingedrungen und hat zu einer kritischen Situation der Entfremdung und des Verlusts der Handlungsfähigkeit des Menschen geführt. In diesem Artikel untersuche ich die Essays des Kriegsliteraten Ernst Jünger (1895-1998), Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt (1932), Der Waldgang (1951) und den Roman Gläserne Bienen (1957). Was Jünger betrifft, so hat er nach seinen Fronterfahrungen im Ersten Weltkrieg in seinen Schriften von 1920 bis Mitte der 1930er Jahre die mechanische Technik enthusiastisch bejaht, doch hat sich sein Blick auf die Technik später stark verändert. Ziel dieses Beitrags ist es, den Prozess zu untersuchen, durch den Jüngers enthusiastische Bejahung der Technik später in eine magische Sicht der Technik umgewandelt wurde, und Gläserne Bienen anhand der Idee des „Waldes“ als Hinweis auf die Überwindung der technischen Welt zu lesen. Auf den Einfluss von Spengler, Heidegger und auch Ernsts Bruder F. G. Jünger auf die Herausbildung von Ernst Jüngers Technikverständnis wurde bereits in der einschlägigen Literatur hingewiesen. Nach Jüngers Gesellschaftsdiagnose ist die heutige Welt der „totalen Mobilmachung“ eine Welt, die von einer unausweichlichen Notwendigkeit bestimmt wird, und der „Arbeiter“, der diese Notwendigkeit akzeptiert, ist ein „freies“ neues Menschenbild. Es ist der Jüngersche „Übermensch“. Es wird erneut betont, dass die Technik der „Wille zur Macht“ ist, mit dem der „Arbeiter“ seine Herrschaft begründet. Der Preis für den wirtschaftlichen Reichtum, der durch die technologische Entwicklung gewonnen wurde, ist jedoch nicht nur die Insektifizierung des Menschen, sondern auch das Verschwinden des Unterschieds zwischen den Geschlechtern. Die maschinelle Organisation des Menschen hat zu einer „Erstarrung“ des Menschen geführt, die als „überorganisch“ bezeichnet wird. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
大林 侑平
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.164, pp.9-25, 2022 (Released:2023-08-06)

Einige WirtschaftshistorikerInnen, wie z. B. Joel Mokyr, betonen die Bedeutung der technischen Umwandlung der Institutionen und Transfermedien in den europäischen Ländern für die industrielle Revolution. Darauf weist Mokyr mit den Begriff industrial enlightenment hin. Solche Debatten sind zwar insofern fruchtbar, als sie die Globalisierung und Industrialisierung mit der Wissensgeschichte erfolgreich zu verknüpfen versuchen. Dennoch wird es noch nicht genug klar, welche Rolle die traditionellere Philosophie der Aufklärungszeit in diesem Kontext spielen könnte. Der hier vorgelegte Aufsatz nimmt eine Diskursanalyse der Kameralwissenschaften der frühen Neuzeit vor, um den ideologischen Grund der Eingriffe des Staats im Hinblick auf die Technologie klarzumachen. Hierbei spielen die Begriffe „Glückseligkeit“ bzw. „Wohl“ eine zentrale Rolle. Bei diesen Begriffen geht es in der staatlichen Klugheitslehre um das von Staaten verfolgte Anliegen, den eigenen Einwohnern die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse und Sicherheit, d.h. Absicherung gegen Feindseligkeiten zu gewähren, das auch verschiedene politische Denker der Naturrechtslehre seit Thomas Hobbes grundlegend reflektiert haben. Den Begriff „Glückseligkeit“ bestimmte Johann Joachim Becher (1635-1682), ein Vertreter der frühen Kameralwissenschaften, als Zweck des Staates. In seinem Politischen Diskurs behauptet er unter starkem Einfluss des Merkantilismus, dass der Staat die Einwohner durch die Nahrung nur dann erfolgreich vermehren kann, wenn das Gewerbe zwischen den verschiedenen Gesellschaften entsprechend entwickelt wird. Der Hintergrund seiner politischen Idee sind die traditionellen Diskurse um die Bevölkerungspolitik seit der Renaissance, also die staatliche Klugheitslehre. Giovanni Botero (1544-1617) glaubte, dass der Reichtum des Staates aus der Bevölkerung hervorgebracht werden kann. Becher als Hofbediensteter beschäftigte sich im Zusammenhang der Bevölkerungspolitik damit, den Maulbeeranbau, die Seidenindustrie und den Kartoffelanbau sowie Bergbau überhaupt zu fördern. Rohstoff für das Handwerk zu produzieren ist bedeutsam aus der fiskalischen Perspektive. Außerdem diente es sowohl zur Viehzucht als auch für Maßnahmen bei einer Hungersnot, die neuen Nahrungsmittel aus Amerika oder Asien zu verbreiten. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
溝井 裕一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.209-218, 2007-10-15

"Der Rattenfanger von Hameln" ist eine der bekanntesten Sagen aus Deutschland. Nach den "Deutsche Sagen" (1816) der Bruder Grimm entfuhrte ein von den Burgern betrogener Pfeifer im Jahr 1284 am Tag Johannes und Paulus (26. Juni) eine Anzahl von Kinder und verschwand mit ihnen im Loch eines Berges, wahrend die alteren Sagen aus dem 13.-15. Jahrhundert nicht die Rattenplage von Hameln, sondern nur die Kindesentfuhrung durch den Pfeifer erwahnen. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Sage um ein geschichtliches Ereignis handelt, hat man bisher bezuglich der , wahren Begebenheit" manche Hypothese aufgestellt wie die Kriegstheorie, die den Jungenverlust der Schlacht bei Sedemunde um 1260 zuschreibt (C. F. Fein 1749), die Ostkolonisationstheorie (W. Wann 1984), die den Jungenauszug der Sage auf die Immigration zur Besiedlung Mahrens zuruckfuhrt, oder die Katastrophentheorie (W. Woeller 1961), nach der die in Panik geratenen Kinder am 26. Juni 1284 in einem Teich vesunken seien. Doch die Forscher, die verschiedene Hypothesen vom Verschwinden der Kinder aufstellten, scheinen eine wichtige Frage nicht ausreichend beantwortet zu haben : Warum entwickelte sich ein geschichtliches Ereignis zu einer so eindrucksvollen Sage und wurde bis Ende der Neuzeit nacherzahlt? Im Mittelalter gab es noch andere merkwurdige Kinderauszuge, etwa der Kinderkreuzzug von Koln (1212) oder die Kindertanzwut von Erfurt (1237). Doch these Ereignisse entwickelten sich nicht zur Sage. Meines Erachtens spielte bei der Bildung der Rattenfangersage vielmehr der Volksglauben von der Sommersonnenwende (24. Juni, Johannistag) eine groBe Rolle. Denn in der Zeit der Sommersonnenwende - so glaubten die Leute fruher - tauchen die verschiedensten Damonen auf und locken die Menschen in ihre Welt, wahrend sich die Unterwelt in den Bergen offnet. Wie A. Feilhauer (2000) bemerkt, galt der Johannistag, an dem das groBe Fest fruher gefeiert wurde, nicht nur als heiliger Tag, sondern auch als gefahrlicher Tag, denn nach dem alten Volksglauben verlangt der heilige Johannes an diesem Tag drei Opfer. Manche Sagen, die uber Ereignisse am Johannistag bzw. an der Zeit von der Sommersonnenwende erzahlen, spiegeln diesen Glauben wider und beschreiben auch der Rattenfangersage ahnliche Geschichten, zum Beispiel : Zwei Madchen gingen am Johannistag zu einem Berg und begegneten dort einer schwarzen Frau, die sie in ein Erdloch lockt (A. Kuhn/W. Schwartz, 1848) ; oder es soll ein Schafer am Johannistag zum Berg gegangen und dort samt seinen Schafen im Erdboden versunken sein (J.D.H. Temme, 1840). Trotzdem scheint mir, dass es noch kaum Untersuchungen gibt, die die Rattenfangersage den mehr als 100 existierenden deutschsprachigen Sagen uber die Sommersonnenwende zuordnen. Ziel meines Beitrags ist es also, nicht das tatsachliche Ereignis hinter der Rattenfangersage von Hameln aufzudecken, sondern die Entwicklung dieser Sage im Zusammenhang mit dem Glauben von der Sommersonnenwende zu begreifen. Am Anfang dieses Aufsatzes werden die alte Rattenfangersage von Hameln aus dem 13.-15. Jahrhundert sowie die Berichte in der luneburgischen Handschrift (1430/1450) anhand Hans Dobbertins Quellensammlung Zur Hamelner Ratten-fangersage (1970) vorgestellt, und die verschiedenen Hypothesen vom Vorfall zu Hameln werden erortert. Im folgenden Kapitel werden die wichtigen Sagen und Berichte zur Zeit der Sommersonnenwende vorgestellt und mit der Rattenfangersage verglichen. Im dritten Kapitel wird uber die Entwicklung der Hamelnschen Rattenfangersage im Hinblick auf den Volksglauben vom Johannistag und die Weltanschauung des Mittelalters diskutiert. Durch den Vergleich der Rat-tenfangersage mit den anderen Sommersonnenwende-Sagen erkennt man, dass die Leute fruher wohl keine Schwierigkeiten hatten, in der Erzahlung einen Pfeifer die Rolle der Naturdamonen oder Teufeln, die in der Zeit der Som-mersonnenwende aufzutauchen scheinen, spielen zu lassen. Auch dieser Vergleich veranschaulicht, dass der Berg, in dem die Hamelnschen Kinder mit dem damonischen Pfeifer verschwanden, nicht nur der Ort irgendeines geschichtlichen Ereignisses ist. Es war der Ort, der sich am Johannistag auftut und Menschen verschlingt (F. Rostek-Luhmann erwahnt 1995 bei ihrer psychologischen Analyse uber den Einfluss der Vorstellungen vom sich am Johannistag offnenden Berg an die Rattenfangersage). Hier werde ich nicht nur die Naturanschauung des Mittelalters, sondern auch die altgermanische Totenweltvorstellung und deren Christianisierung anhand der Arbeiten von L. Petzeoldt (2002) vorstellen. Meine These in diesem Beitrag ist : Das Datum des Ereignisses in Hameln, der 26. Juni, gab Anlass, den geschichtlichen Bericht mit den Motiven vom damonischen Pfeifer sowie von der Unterwelt im Berg zu verknupfen, und damit erhielt die Hamelner Sage ahnliche Zuge wie andere Sagen vom Johannistag. Die Entwicklung der Sage von Hameln, eine Erzahlung uber das Verschwinden der Kinder durch den daemonischen Pfeifer zur Zeit der Sommersonnenwende, ist durch die Aufklarung des geschichtlichen Hintergrundes nicht vollstandig zu begreifen. Vielmehr kann der Grund ihrer Ausbildung erst verstanden werden, wenn man these Sage mit anderen Sagen zur Zeit des Johannistages, der Zeit, wenn die "andere Welt" sich auftut, vergleicht und ihre Beziehung zu Weltanschauung und Volksglauben der damaligen Epoche mit in Betracht zieht.
著者
小野寺 賢一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.162, pp.178-195, 2021 (Released:2022-03-25)

Der Begriff „lyrisches Ich“ ist hauptsächlich verwendet worden, um das Aussagesubjekt im lyrischen Text von seinem Urheber (Autor/Autorin) zu unterscheiden. Dabei wurde ab den 1950er bis in die 1990er Jahre hinein die Bedeutung des „lyrischen Ich“ unterschiedlich und manchmal widersprüchlich interpretiert, was zu einer gewissen begrifflichen Unschärfe führte. Ab Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich die Debatte schließlich von den Versuchen einer Definition des „lyrischen Ich“ auf die Suche nach einem grundlegend neuen Konzept. Dieter Burdorfs Vorschlag (1995/1997/2015) und Wolfgang G. Müllers Kritik daran (2011/2016) zeigten jedoch, dass die bloße Unterscheidung von realem Urheber und Sprecher im lyrischen Text die Forschung nicht vollständig zufriedenstellen kann. Ein Ansatz, den auch Carolin Fischer (2007) verfolgt, ist die Analyse jener literarischen Konventionen, die bei den Lesenden eine Überlappung von Autor/Autorin und Aussagesubjekt im lyrischen Gedicht auslösen. Unter dieser Prämisse wird die Bedeutung von Margarete Susmans Das Wesen der modernen deutschen Lyrik (1910) deutlich. Bislang wurde ihre Leistung vor allem im Hinblick auf das Konzept des „lyrischen Ich“ gesehen, mit dessen Hilfe das „Ich“ im lyrischen Text vom „empirischen Ich“, also dem Autor/der Autorin als biographischem oder empirischem Wesen, unterschieden werden kann. Susman befasste sich jedoch auch intensiv mit der Frage, weshalb diese beiden Instanzen verwechselt werden. Sie führte aus, dass die moderne Gesellschaft kein gemeinschaftliches kulturelles Weltbild mehr haben könne, da die Religion ihre verbindende Kraft verloren habe. Daher spiegeln sich nach Susman in Gedichten, insbesondere seit der deutschen Romantik, die eigenen Interessen und Träume der Dichter wider, weshalb das „lyrische Ich“, das immer noch genauso wie im Mittelalter ein Symbol des entpersonifizierten Individuums in Bezug auf die Welt als Ganzes sei, häufig mit dem empirischen Ich verwechselt werde. Deswegen seien die neuesten Gedichte oft sehr „esoterisch“, was bei Stefan Georges Dichtung in besonders typischer Weise zu beobachten sei. In dieser Hinsicht behandelte Susman also ähnlich wie die bereits genannten Wissenschaftler das Problemfeld der Doppelbödigkeit des lyrischen Sprechers. Als Oskar Walzel 1916 das „lyrische Ich“ in die germanistische Fachdiskussion einführte, berücksichtigte er diesen Aspekt nicht. Während er die Dichtung der „Entpersönlichung“, deren Sprecher das „lyrische Ich“ sei, dem Bereich der „echten Lyrik“ zuordnete, klassifizierte er die Dichtung zum Ausdruck des Persönlichen als „Lyrik des Aufschwungs“. Auf diese Weise wurde das Problem einer Verwechselung oder Überschneidung der beiden Instanzen ausgeblendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Urheberschaft literarischer Werke zu einem zentralen Thema wurde, wurden die von Walzel postulierten Eigenschaften des Aussagesubjekts in der „echten Lyrik“ zur Analyse der Lyrik im Allgemeinen herangezogen. Folglich wurde das „lyrische Ich“, welches Susman als Dichterin aus poetologischer Sicht entwarf, zum analytischen Mittel für die grundsätzliche Definition der Sprecher-Instanz im lyrischen Text. Dies führte dazu, dass Ausführungen zu Susmans Konzept zur Einseitigkeit tendieren. Symptomatisch dafür ist z. B. Matías Martínez’ (2002) Auffassung, Susman habe mit ihrem Konzept eine biographische Auslegung von Gedichten abgelehnt. Eine genaue Analyse von Susmans Werk zeigt jedoch, dass für sie die Frage, ob ein lyrisches Werk biographisch gelesen werden darf oder nicht, irrelevant war. Vielmehr untersuchte sie die Bedingungen jener Doppelbödigkeit, auf deren Grundlage der Leser dazu verleitet wird, ein Gedicht auch als unmittelbare Äußerung des Dichters zu betrachten. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
二藤 拓人
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.160, pp.45-61, 2020 (Released:2021-06-04)

Die von Friedrich Schlegel konzipierte Gattung „Fragment“ gehört zu einem modernen Kulturphänomen, dem im Prozess der medienhistorischen Leserevolution seit Mitte des 18. Jahrhunderts (Polenz 1994) die literaturprogrammatische Funktion der Mitteilung zugewiesen wurde. Sie wandte sich ausschließlich an das in eine „geniale“ Intelligenz eingeweihte Lesepublikum. Aus dieser medialen Intention der neuartigen Gattung ergab sich die Trennung zwischen einem kleinen intimen Kreis genialer Künstler und dem allgemeinen Publikum. Dies obwohl das frühromantische Konzept der „neuen Mythologie“ auf die Vereinheitlichung von Esoterik und Exoterik abzielte, die in einem breiteren Kreis die Zugänglichkeit der „Poesie“ ermöglichen sollte. Diese Ambivalenz kennzeichnet nicht nur die Romantik, sondern sie gehört vielmehr zur allgemeinen Tendenz des Zeitalters im Zerfall der Einheit der in Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit (1962) herausgearbeiteten bürgerlich-literarischen Öffentlichkeit, deren kritische Betrachtung aus sozialgeschichtlicher Perspektive auch im von Christa und Peter Bürger sowie Jochen Schulte-Sasse herausgegebenen Sammelband Aufklärung und literarischen Öffentlichkeit (1980) zusammengestellt ist. Im Blick auf diese nicht nur in sozial-, sondern auch in mediengeschichtlicher Hinsicht zu betrachtende Problematik soll beim vorliegenden Beitrag die Situation der Schreib- und Lesepraxis der zeitgenössischen Publikationskultur anhand von frühesten Texten (1792–1797) Friedrich Schlegels genauer unter die Lupe genommen werden. Erst auf diesem Weg können die bisher kaum beachteten Entstehungsprozesse und -bedingungen des „Fragments“ in Bezug auf den Wandel der literarischen Öffentlichkeit erläutert werden. Der komplexe Gebrauch des Wortes „Fragment“ lässt sich in drei verschiedenen Erscheinungsformen feststellen: als in Briefen mitgeschickten Aufzeichnungen, die im Kreis der Frühromantik zirkulierten, als Formulierungen in Überschriften bzw. Titeln und als antike Quellenmaterialien der von Schlegel durchgeführten Forschung. Im Briefwechsel zwischen Friedrich Schlegel und seinem älteren Bruder August Wilhelm werden „Fragmente aus Hamlet und Romeo“ (KA 23, 138) oder „Fragmente aus Sh[akespeare]“ (ebd., 266) erwähnt, die sich beide offensichtlich auf August Wilhelms Übersetzungsarbeit beziehen. Da diese fragmentarischen Manuskripte durchaus nicht in die Brieftexte eingebettet, sondern ihnen beigefügt wurden, ist jeder Briefleser bzw. -empfänger berechtigt, dieses Fragment ohne Rücksicht auf die Intention des Autors bzw. Absenders frei und sachlich zu kritisieren. Diese Abtrennung des dem Brief beigefügten Fragments vom Brieftext selbst läuft der im 18. Jahrhundert zu beobachtenden Tendenz des bürgerlichen Lesepublikums zuwider, auf die Habermas (1962) bereits hinweist. Er konstatiert dabei, dass sowohl der intime Briefwechsel als auch die Lektüre einer daraus entwickelten Romanliteratur auf der bürgerlichen Basis der „literaturfähigen und publizitätsbezogenen Subjektivität“ zustande komme. Diese Feststellung unterstreicht im Grunde selbst der Habermas kritisierende Kittler (1980), mit dessen Begriff „Phantasma der Autorschaft“ die Einbildung des Lesers bezeichnet wird, der ein Buch allein und still liest, als wäre es ein an ihn persönlich adressierter Brief. Ein Paradebeispiel dafür ist Goethes Werther-Roman, in dessen Protagonisten sich nicht wenige Leser damals einfühlten. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
香田 芳樹
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.152, pp.8-23, 2016-03-25 (Released:2018-03-31)

Diese Abhandlung bezweckt zu erklären, wie die widersprüchlichen Prinzipien der Gerechtigkeit für das Schaffen der antiken und mittelalterlichen Tragödie eine leitende Rolle gespielt haben. Die antiken Menschen waren sich des Widerspruchs des „Gerechten“ durchaus bewusst. Im fünften Buch der „Nikomachischen Ethik“ hat Aristoteles deshalb der Gerechtigkeit zwei unterschiedliche Funktionen, das Verteilen und das Austauschen, zugeschrieben. Die verteilende Gerechtigkeit wird nach Maßgabe der Leistung proportional vollzogen, während die austauschende Gleiches mit Gleichem strafrechtlich vergilt. Diese Unterscheidung rechtfertigt einerseits die Herrschaftsverhältnisse des Stadtstaates und gewährleistet andererseits die Interessen des bürgerlichen Wirtschaftslebens. Diese zwei Gestalten der Gerechtigkeit sind jedoch nicht die Entdeckung Aristoteles’. Die Griechen haben schon früher zwei Gerechtigkeitsgöttinnen gekannt: Themis und Dike, die nach Hesiod im Mutter-Tochter-Verhältnis standen. Ihre Aufgaben entsprechen denen der aristotelischen Teilgerechtigkeiten. Themis vertritt ältere Stammesgesetze, verfügt über das kollektive Bewusstsein des Menschen und verhängt soziale Sanktionen. Dike richtet hingegen in strafrechtlichen Angelegenheiten. Der unauflösbare Widerspruch beider Göttinnen ist bei Aischylos’ „Agamemnon“ deutlich zu erkennen. Agamemnon, der von Themis beraten um des Sieges gegen die Trojaner willen seine eigene Tochter hatte opfern lassen, wurde von Clytaemnestra ermordet, weil diese glaubte, die talionische Rache sei von Dike vollkommen anerkannt. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
副島 美由紀
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学
巻号頁・発行日
vol.158, pp.8-24, 2018

Seit der Zeit des Japonismus im 19. Jahrhundert sind in den Medien bestimmte Topoi oder Figuren wie „Samurai", „Geischa" oder „Zen" verwendet worden, um den Gegenstand „Japan" erkennbar zu machen. Auch seit den 1970er Jahren, in denen Japan nicht mehr ein fernes, exotisches Land war, sind immer noch dieselben Motive im Japandiskurs aufgetaucht. Der Japanologe Reinold Ophüls-Kashima konstatiert es und nennt das Ensemble solcher auf den deutschsprachigen Raum bezogenen speziell japanischen Kollektivsymbole „Japanismus", in Abgrenzung zum historischen „Japonismus". Dieser Japanismus spielte auch in der Literatur über Japan-Erfahrungen keine geringe Rolle, wie Adolf Muschgs <i>Im Sommer des Hasen</i>, Elisabeth Reicharts <i>Das vergessene Lächeln der Amaterasu</i>, Gerhard Roths <i>Der Plan</i> und Christoph Peters <i>Mitsukos Restaurant</i>. Das ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass diese Romane mit wirklichen Sachverhalten in Japan wenig zu tun haben. Marion Poschmann verwendet in ihrem Roman <i>Die Kieferninseln</i> (2017) auch Japanismen, nämlich die Haiku-Literatur und einen Selbstmordkandidaten, wobei die Japanismen anders behandelt werden, als bei den bisherigen Japan-Romanen. Dieser Beitrag thematisiert das literarische Verfahren von Die Kieferninseln und sein Charakteristikum als interkulturelle Literatur im globalisierten Zeitalter.<br>   Es handelt sich um zwei Gestalten, die mit ihrem Leben nicht zufrieden sind. Einer ist ein deutscher Privatdozent, Gilbert Silvester, der vor seiner Frau flüchtet und nach Japan reist, um seine Selbstwiederfindung zu ermöglichen. Sein Gegenüber ist ein japanischer, lebensmüder Student namens Yosa Tamagotchi, der einen Suizid plant. Beide haben ein eigenes „Nachschlagebuch". Gilbert folgt Bashôs berühmtem <i>Pilgertagebuch Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland</i> (<i>Oku no Hosomichi</i>) und nimmt zum Ziel seiner Reise die Kieferninseln, deren Landschaft eine der drei schönsten Japans sein soll. Yosa braucht den Rat von <i>The Complete Manual of Suicide</i>, einem japanischen Million Seller der 90er Jahre, um einen angemessenen Ort für seinen Suizid wählen zu können. Gilbert und Yosa werden durch einen Zufall zusammengeführt, sie kombinieren ihre Reiserouten und brechen auf zu einer gemeinsamen Reise, so wie Bashô und Sora oder Don Quijote und Sancho Panza.<br>   Die Figuren wie Geisha und Samurai kommen als Karikatur vor, denn dieses Werk hat Charakteristika einer Lachliteratur im Sinne von M. Bachtin, der in seinem <i>Rabelais und seine Welt</i> die volkstümliche Lachkultur erläutert. Indem Gilbert und Yosa die Stationen ihrer Reise besuchen, werden Abschnitte ihrer zwei Kultbücher parodiert, travestiert und auf den Kopf gestellt. Das sind genau die spielerischen Ausdrucksformen des Lachprinzips, die Bachtin aufzeigt. Es entstehen Lachsituationen. Sogar über die Toten wird sich in Form eines grotesken Realismus mokiert, und über Gilberts große Erwartung der Erleuchtung nach Bashôs Vorbild gewitzelt. Dieses Lachen bringt das Bewusstsein der heiteren Relativität mit sich und infolge dessen wird die engstirnige Seriosität der herrschenden Diskurse beeinträchtigt. Auch Japanische Kultur, wie z.B. Kabuki Theater und Bonsai Gartenkunst, wird karikiert und in Gilberts Kontemplationen mit der westlichen verglichen, verfällt aber nicht in Dualismus oder Dialektik, sondern wird gelassen akzeptiert. Der Ton des Lachens zeigt, dass unterschiedliche Prinzipien auch vereinbar sind.<br>(View PDF for the rest of the abstract.)
著者
坂本 真樹
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.115, pp.95-109, 2004-03-15
被引用文献数
1 1

Die vorliegende Untersuchung hat ihren Ausgangspunkt in der Feststellung, dass Rezeptionsprozesse von Dichtung auf einer Reihe von kognitiven Kompetenzen basieren, die auch fur andere sprachliche Vollzuge von Bedeutung sind. Zu den Grundannahmen dieser Untersuchung gehort, dass das metaphorische Sprechen eine Erscheinungsform der kognitiven Kompetenzen darstellt. Die Entwicklung der Metapherntheorie beginnt mit dem aristotelischen Theorem, und die dort beschriebene Tendenz von Isolierung und Absonderung der Metapher von der "normalen" Sprache findet bis heute Beachtung. Daneben gibt es auch eine Reihe von Forschungen, die in der Metapher eine konstitutive Form sprachlichen Ausdrucks sehen. Eine dieser Forschungsrichtungen ist die kognitiv-linguistische Analyse der Metapher von Lakoff/Johnson (1980). Lakoff/Johnson bemerken, dass die Sprache im Mechanismus der Metapher begrundet sei, wie die "konstitutive Metapher," die "orientierende Metapher" und die "ontologische Metapher". In dieser Arbeit soil anlehnend an die Untersuchung englischer Gedichte von Lakoff/Turner (1989) eine Analyse metaphorischer Ausdrucke in deutschen Gedichten vorgenommen werden. Gegenstand der Arbeit sind Gedichte von Georg Trakl. In vielen literaturwissenschaftlichen Forschungen wurde festgestellt, dass in Trakls Gedichten Kunstfertigkeit und Anhaufung metaphorischer Ausdrucke, die sich auf "Tod", "Verfall" oder "Angst" beziehen, auffallig sind. In dieser Arbeit soil nachgezeichnet werden, dass solchen Metaphern allgemeine, nicht dichtungspezifische Kompetenzen zugrunde liegen, die beim Verfassen und beim Verstehen von Metaphern der Gedichte in Kraft treten. Kapitel 3 beschaftigt sich mit einem reprasentativen Werk von Trakl, mit dem Gedicht "Verfall". "Verfall" grundet z.B. auf der konstitutiven Metapher "Leben als Reise" und der orientierenden Metapher "Heiliges oben, Tod unten", die auch fur die Alltagssprache von groBter Bedeutung sind. In "Verfall" findet sich auch eine Art von ontologischer Metapher, die Metapher Personifikation, die man auch in der Alltagssprache finden kann. In anderen Gedichten Trakls werden verschiedene Metaphern betrachtet, die auch der Alltagssprache zugrunde liegen. Bin anderes zentrales Anliegen dieser Arbeit gilt der Klarung der Frage, warum man Trakls Dichtung kreativ, ungewohnlich und manchmal unverstandlich findet. Zur Klarung dieser Frage soil in Hinsicht der kognitiven Fahigkeiten die Sprache in Trakls Gedichten mit der Alltagssprache verglichen werden. In Kapitel 4 soil gezeigt werden, dass metaphorische Ausdrucke als kreativ und ungewohnlich erscheinen, wenn sie vom kognitivregelgeleiteten Mechanismus abweichen, welcher der Alltagssprache zugrunde liegt. Die Metapher Personifikation z.B. ist zwar ein ubliches sprachliches Verfahren, aber die Personifikation von Farben, die Trakl gepragt hat, widerspricht dem ublichen sprachlichen Verfahren. Diese Abweichung ist ein Beispiel fur die Besonderheit von Trakls Gedichten. Der Gebrauch der Farbworter in Trakls Gedichten ist auffallig und charakteristisch. In dieser Untersuchung sollen der metaphorische Gebrauch der Farbworter im Zusammenhang mit der synasthetischen Metapher uberlegt und auffallige Abweichungen vom kognitivregelgeleiteten Mechanismus betrachtet werden. Gegen die kognitive Regel der synasthetischen Metapher, die in der Alltagssprache erscheint, werden in Trakls Gedichten verschiedene Farben verwendet, um das Horen und andere korperlichen oder psychologischen Erfahrungen zu erfassen. Auch diese synasthetische Abweichung lasst Irakis Gedichte ungewohnlich und manchmal unverstandlich erscheinen.
著者
川島 隆
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.152, pp.107-121, 2016-03-25 (Released:2018-03-31)

Franz Kafkas Romanfragment Der Proceß gilt seit der Nachkriegszeit als ein paradigmatischer Text für eine Situation, in der ein Unschuldiger angeklagt und bestraft wird. Vor allem im ausgehenden 20. Jahrhundert, als die kultur- und sozialhistorische Kafka-Forschung aufblühte, sahen darin immer mehr Interpreten eine Kritik an der bestehenden Rechtsordnung seiner Zeit. Während z.B. Wulf Segebrecht (1997), der Kafkas Roman im Kontext der literarischen Tradition der „poetischen Gerechtigkeit“ betrachtete, noch die Mehrdeutigkeit und Uninterpretierbarkeit des Romans betonte, reduzierte ihn Theodore Ziolkowski (1997), wenn auch vorsichtig, entschiedener auf die historische Realität und glaubte, in den grotesken Verhältnissen, die der Protagonist Josef K. erlebt, ein verzerrtes Bild des „subjektivistischen“ Rechtssystems des fin de siècle in Österreich-Ungarn zu finden. (View PDF for the rest of the abstract.)