10 0 0 0 OA ニーチェの病跡

著者
小林 真
出版者
Japanische Gesellschaft für Germanistik
雑誌
ドイツ文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.85, pp.1-13, 1990-10-01 (Released:2008-03-28)

Es ist schon lange her, seit P. J. Möbius' Aufsatz "Über das Pathologische bei Nietzsche“ (1902), in dem er Nietzsches Krankheit als luetische progressive Paralyse bestimmte, bei den Anhängern Nietzsches großen Anstoß erregte, aber auch bei den meisten Zeitgenossen, besonders den Medizinern, eine verständige Zubilligung gefunden hat. Inzwischen sind auch die Basler und Jenaer Krankenprotokolle Nietzsches 1930 von E. F. Podach publiziert worden.In dieser Abhandlung hat der Verfasser zuerst versucht, die Krankheitsgeschichte und das Krankenbild Nietzsches mittels dieser und anderer derzeit zugänglichen Materialien so exakt und so sachlich wie möglich zu schildern, denn, wie es K. Jaspers betont, eine objketive, vorurteilslose Beschreibung der Symptome ist die unentbehrliche Voraussetzung aller psychopathologischen Auslegungen.Erst danach wurden die wichtigen pathographischen Forschungen von P. J. Möbius (1902), Kurt Hildebrandt (1923), Clemens E. Benda (1925), K. Jaspers (1933), W. Lange-Eichbaum (1938), Kurt Kolle (1965) u.s.w. vorgestellt und erörtert. Nach allen diesen Erforschungen und Erwägungen scheint schließlich bei Nietzsche die Diagnose "atypische progressive Paralyse mit endogener Psychopathie (Schizoid bzw. Zykloid)“ die zutreffendste zu sein.Wie weit Nietzsches Werke von der Krankheit beeinflußt sind, darüber sind die Meinungen geteilt. Während Möbius zum Beispiel schon im Stil des »Zarathustra« die Vorboten einer progressiven Paralyse erkennt, sind Hildebrandt und Jaspers vorsichtiger, indem sie erst in der »Götzendämmerung« und im »Antichrist« teilweise die Vorzeichen und gerade in »Ecce homo« das Auftreten des unverkennbaren Größenwahns festgestellt haben.Nietzsches zwei Grundbegriffe vom "Übermenschen“ und der "ewigen Wiederkehr“ sind auch von Möbius als nur wahnhafte Produkte einer progressives. Paralyse bezeichnet worden. Jaspers hingegen meint, daß these Begriffe nicht notwendigerweise als pathologisch zu betrachten sind, sondern vielmehr als ein Ersatz zu Gott, den Nietzsche, eigentlich eine religiös geborene Natur, gewissermaßen wider seinen Willen "getötet“ hat.Nietzsches Krankheit ist in diesem Zusammenhang nicht immer als nachteilhaft anzusehen. Zuerst hat ihm die Krankheit, wie es Nietzsche selbst mehrmals bemerkt hat, eine eigenartige Erkenntnisweise-eine Art "Kranken-Optik“-gegeben. Zweitens könnte es möglich sein, daß die progressive Paralyse, wie Möbius ausführlich gezeigt hat, als ein organischer Hirnprozeß zeitweise (besonders 1880-1883) die Hirnfunktion Nietzsches erhöht und seine Schöpfungskraft gefördert hätte.Durch die Auslegung der letzten Wahnbilder Nietzsches in den Wahnbriefen und aus der Jenaer Krankengeschichte kommen Nietzsches Wille zur Macht, seine unerfüllten Wünsche, sich als Tonkünstler und als Dichter hervorzutun, sein religiöses Wesen als Gottsucher, seine heimliche Liebe zu Cosima Wagner, seine normalen sexuellen Triebe u.s.w. an den Tag. Von einer künftigen, gründlich psychoanalytischen Forschung ist zu erwarten, daß sie durch die regelrechte Analysierung der Tiefenpsychologie Nietzsches endgültig erklären wird, wie, zum Beispiel, Nietzsche als Pastorensohn gleich einem Vatermörder schließlich auch Gott "getötet“ habe.
著者
溝井 裕一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.209-218, 2007-10-15

"Der Rattenfanger von Hameln" ist eine der bekanntesten Sagen aus Deutschland. Nach den "Deutsche Sagen" (1816) der Bruder Grimm entfuhrte ein von den Burgern betrogener Pfeifer im Jahr 1284 am Tag Johannes und Paulus (26. Juni) eine Anzahl von Kinder und verschwand mit ihnen im Loch eines Berges, wahrend die alteren Sagen aus dem 13.-15. Jahrhundert nicht die Rattenplage von Hameln, sondern nur die Kindesentfuhrung durch den Pfeifer erwahnen. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Sage um ein geschichtliches Ereignis handelt, hat man bisher bezuglich der , wahren Begebenheit" manche Hypothese aufgestellt wie die Kriegstheorie, die den Jungenverlust der Schlacht bei Sedemunde um 1260 zuschreibt (C. F. Fein 1749), die Ostkolonisationstheorie (W. Wann 1984), die den Jungenauszug der Sage auf die Immigration zur Besiedlung Mahrens zuruckfuhrt, oder die Katastrophentheorie (W. Woeller 1961), nach der die in Panik geratenen Kinder am 26. Juni 1284 in einem Teich vesunken seien. Doch die Forscher, die verschiedene Hypothesen vom Verschwinden der Kinder aufstellten, scheinen eine wichtige Frage nicht ausreichend beantwortet zu haben : Warum entwickelte sich ein geschichtliches Ereignis zu einer so eindrucksvollen Sage und wurde bis Ende der Neuzeit nacherzahlt? Im Mittelalter gab es noch andere merkwurdige Kinderauszuge, etwa der Kinderkreuzzug von Koln (1212) oder die Kindertanzwut von Erfurt (1237). Doch these Ereignisse entwickelten sich nicht zur Sage. Meines Erachtens spielte bei der Bildung der Rattenfangersage vielmehr der Volksglauben von der Sommersonnenwende (24. Juni, Johannistag) eine groBe Rolle. Denn in der Zeit der Sommersonnenwende - so glaubten die Leute fruher - tauchen die verschiedensten Damonen auf und locken die Menschen in ihre Welt, wahrend sich die Unterwelt in den Bergen offnet. Wie A. Feilhauer (2000) bemerkt, galt der Johannistag, an dem das groBe Fest fruher gefeiert wurde, nicht nur als heiliger Tag, sondern auch als gefahrlicher Tag, denn nach dem alten Volksglauben verlangt der heilige Johannes an diesem Tag drei Opfer. Manche Sagen, die uber Ereignisse am Johannistag bzw. an der Zeit von der Sommersonnenwende erzahlen, spiegeln diesen Glauben wider und beschreiben auch der Rattenfangersage ahnliche Geschichten, zum Beispiel : Zwei Madchen gingen am Johannistag zu einem Berg und begegneten dort einer schwarzen Frau, die sie in ein Erdloch lockt (A. Kuhn/W. Schwartz, 1848) ; oder es soll ein Schafer am Johannistag zum Berg gegangen und dort samt seinen Schafen im Erdboden versunken sein (J.D.H. Temme, 1840). Trotzdem scheint mir, dass es noch kaum Untersuchungen gibt, die die Rattenfangersage den mehr als 100 existierenden deutschsprachigen Sagen uber die Sommersonnenwende zuordnen. Ziel meines Beitrags ist es also, nicht das tatsachliche Ereignis hinter der Rattenfangersage von Hameln aufzudecken, sondern die Entwicklung dieser Sage im Zusammenhang mit dem Glauben von der Sommersonnenwende zu begreifen. Am Anfang dieses Aufsatzes werden die alte Rattenfangersage von Hameln aus dem 13.-15. Jahrhundert sowie die Berichte in der luneburgischen Handschrift (1430/1450) anhand Hans Dobbertins Quellensammlung Zur Hamelner Ratten-fangersage (1970) vorgestellt, und die verschiedenen Hypothesen vom Vorfall zu Hameln werden erortert. Im folgenden Kapitel werden die wichtigen Sagen und Berichte zur Zeit der Sommersonnenwende vorgestellt und mit der Rattenfangersage verglichen. Im dritten Kapitel wird uber die Entwicklung der Hamelnschen Rattenfangersage im Hinblick auf den Volksglauben vom Johannistag und die Weltanschauung des Mittelalters diskutiert. Durch den Vergleich der Rat-tenfangersage mit den anderen Sommersonnenwende-Sagen erkennt man, dass die Leute fruher wohl keine Schwierigkeiten hatten, in der Erzahlung einen Pfeifer die Rolle der Naturdamonen oder Teufeln, die in der Zeit der Som-mersonnenwende aufzutauchen scheinen, spielen zu lassen. Auch dieser Vergleich veranschaulicht, dass der Berg, in dem die Hamelnschen Kinder mit dem damonischen Pfeifer verschwanden, nicht nur der Ort irgendeines geschichtlichen Ereignisses ist. Es war der Ort, der sich am Johannistag auftut und Menschen verschlingt (F. Rostek-Luhmann erwahnt 1995 bei ihrer psychologischen Analyse uber den Einfluss der Vorstellungen vom sich am Johannistag offnenden Berg an die Rattenfangersage). Hier werde ich nicht nur die Naturanschauung des Mittelalters, sondern auch die altgermanische Totenweltvorstellung und deren Christianisierung anhand der Arbeiten von L. Petzeoldt (2002) vorstellen. Meine These in diesem Beitrag ist : Das Datum des Ereignisses in Hameln, der 26. Juni, gab Anlass, den geschichtlichen Bericht mit den Motiven vom damonischen Pfeifer sowie von der Unterwelt im Berg zu verknupfen, und damit erhielt die Hamelner Sage ahnliche Zuge wie andere Sagen vom Johannistag. Die Entwicklung der Sage von Hameln, eine Erzahlung uber das Verschwinden der Kinder durch den daemonischen Pfeifer zur Zeit der Sommersonnenwende, ist durch die Aufklarung des geschichtlichen Hintergrundes nicht vollstandig zu begreifen. Vielmehr kann der Grund ihrer Ausbildung erst verstanden werden, wenn man these Sage mit anderen Sagen zur Zeit des Johannistages, der Zeit, wenn die "andere Welt" sich auftut, vergleicht und ihre Beziehung zu Weltanschauung und Volksglauben der damaligen Epoche mit in Betracht zieht.
著者
野村 修
出版者
Japanische Gesellschaft für Germanistik
雑誌
ドイツ文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.42, pp.47-56, 1969-03-31 (Released:2008-03-28)

Meine obige Abhandlung will folgendes nachweisen:Ich sehe im "Gesang des Soldaten der roten Armee“ nicht "Abscheu“, wie ihn Martin Esslin (1962 S. 216) sehen wollte, sondern lebhaftes Mitgefühl, das der zwanzigjährige Brecht mit den bayerischen Revolutionären hatte. In dem "wir“ des Liedes nahm er, mitten zwischen der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit der damaligen Situation, einfühlend selber ihre Stellung. Nach der Niederlage kam er, immer noch mit "unseren“ Augen, "grinsend in euer Paradeis“. Baal in der zweiten Fassung (entstanden in April/Mai 1919) blieb noch eine sozusagen vorrevolutionäre Existenz, verkörperte aber jetzt, konsequenter als in der ersten Fassung, eine sich von Anfang an nicht mit "euch“ versöhnende Gesinnung. "Wir“ selbst hatten jedoch Mimikry dringend nötig, um in "eurem Paradeis“ wohnen zu können; und die Mimikry mußte in dieser Sachlage die Problematik haben, daß sie eine Notwendigkeit und zugleich eine Gefahr ist-die Gefahr, ein Leben in Mimikry mit dem eigentlichen Leben zu verwechseln. Dann könnte man leicht zu einem "Esel“ werden, "der gewillt ist, als Schwein weiterzuleben“, also zu Galgei: dem Nachfolger von Kragler und dem Vorgänger von Garga, Galy Gay und "den Städtebewohnern“. Brecht war sich wohl dieser Problematik schon ziemlich bewußt, als er Kragler, den Held in "Trommeln in der Nacht“, in Februar/März 1919 schuf.Man kann daher über Brecht in den zwanziger Jahren nicht sagen: "Dies Revolutionszwischenspiel war bald vergessen“ (Esslin S. 24). Alle seine Werke behandelten damals "unsere“ Problemetik in "eurem Paradeis“, indem sie die Gesten der dort Wohnenden hervorhoben. Hans Mayer hat trefflich bemerkt: "Die geistige Welt des jungen Brecht wird nicht durch die großen literarischen und politischen Strömungen der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre geprägt, sondern durch Augsburg und die Umwelt der Provinz“ (1961 S. 26). Ich möchte aber zu dieser Formulierung ein Wort hinzufügen. Brechts Augsburg war auch dasselbe, das einmal mit München mitten in der Revolution gestanden hatte. Das konnte zwar eine "Provinz“ sein, doch eine Provinz besonderer Art, verglichen mit jenen Metropolen, wo das System "unsere“ Erinnerung unaufhaltsam verwittern sollte.
著者
石田 雄一
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.89, pp.110-120, 1992-10-01 (Released:2008-03-28)

Brechts episches Theater und Artauds Theater der Grausamkeit stellen in vielen Punkten einen deutlichen Gegensatz dar. Aber wenn man sie auf ihre Einstellung zur Sprache hin vergleichend untersucht, kann man zwischen beiden eine grundlegende Gemeinsamkeit finden, wegen der in den 60er Jahren Peter Weiss' und Peter Brooks Versuche zur Synthese von Brecht und Artaud in ihren jeweiligen Aufführungen von "Marat/Sade“ Erfolge erzielen konnten.Brecht interessierte sich für die dann später von dem englischen Philosophen John L. Austin als "performative“ bezeichnete Ebene der Sprache, auf der man mit der sprachlichen Äußerung nicht nur die-wirkliche oder fiktive-Realität beschreibt, sondern irgendeine Handlung hervorruft. Man beschreibt z.B. mit der performativen Äußerung "Ich verspreche, daß …“ keine Realität, sondern man führt damit den Akt des Versprechens aus. Aber mit derselben Äußerung führt der Schauspieler auf der Bühne nicht den Akt des Versprechens aus, sondern den des Spielens, denn auf der Bühne ist das Subjekt dieses performativen Satzes (="ich“) mit dem Subjekt des Sprechaktes (=dem Schauspieler) nicht identisch: Wenn der Schauspieler auf der Bühne den Satz "Ich verspreche…“ sagt, ist mit dem Wort "ich“ nicht der Schauspieler gemeint, sondern die dramatische Figur, die er spielt. Diese Dissoziation des Subjekts des Sprechaktes von dem des Satzes versucht Brecht in seinem Theater sichtbar zu machen, wenn er z.B. in seinen theoretischen Schriften den Schauspielern rät, statt der Form der ersten Person und der Gegenwart in der Form der dritten Person und der Vergangenheit zu sprechen.Auf der anderen Seite war sich Artaud dieser Dissoziation, die Brecht im Sprechakt des Schauspielers auf der Bühne feststellte, auf psychopathologische Weise immer und durchaus bewußt: Artaud litt lebenslang-wahrscheinlich wegen der Drogensucht-an einem schizophrenen Bewußtsein, daß die Sprache, die er spricht, ihm nicht gehöre. Er schreibt z.B. in "Die Nervenwaage“, daß er bisher mit seinen Bemühungen gescheitert sei, weil ein Teil seines Denkens "bereits vorformuliert“ sei: "Vom Augenblick an, wo ich spreche, gehören die Wörter, die ich gebrauche, mir nicht mehr, weil sie Wörter sind; sie werden in ursprünglicher Weise wiederholt“. Er könne die Wörter nur so sprechen, als ob der Schauspieler auf der Bühne ihm nicht gehörende Rollentexte spräche. Deshalb versucht Artaud in seinem Theater die normale, schriftlich vorformulierbare Sprache zu vernichten und statt ihrer eine neue Sprache zu verwirklichen, die man nicht wiederholen kann. Nur diese Unwiederholbarkeit-so glaubt Artaud-schaffe jene Dissoziation, die der normalen Sprache zugrunde liegt, ab und ermögliche eine vollständige Identität zwischen dem Subjekt des Satzes und dem des Sprechaktes.Also kann man feststellen, daß es sowohl in Brechts epischem Theater als auch in Artauds Theater der Grausamkeit um die Dissoziation des Subjekts des Sprechaktes (dem sprechenden Körper) von dem des performativen Satzes ("ich“) geht. Der Unterschied liegt nur darin, daß diese Dissoziation bei Brecht in bezug auf den theatralischen Sprechakt problematisiert wird, während sie bei Artaud durch die Geisteskrankheit ins Bewußtsein gebracht wird. Aber man kann auch sagen, daß sowohl das Theater als auch die Geisteskrankheit als Ansatz zur Erkenntnis der Grundstruktur der Sprache funktionieren können.In Weiss' Stück "Marat/Sade“ finden diese zwei Ansätze-Theater und Geisteskrankheit-zugleich Verwendung: Die meisten dramatis personae dieses Stückes,
著者
坂本 真樹
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.115, pp.95-109, 2004-03-15
被引用文献数
1 1

Die vorliegende Untersuchung hat ihren Ausgangspunkt in der Feststellung, dass Rezeptionsprozesse von Dichtung auf einer Reihe von kognitiven Kompetenzen basieren, die auch fur andere sprachliche Vollzuge von Bedeutung sind. Zu den Grundannahmen dieser Untersuchung gehort, dass das metaphorische Sprechen eine Erscheinungsform der kognitiven Kompetenzen darstellt. Die Entwicklung der Metapherntheorie beginnt mit dem aristotelischen Theorem, und die dort beschriebene Tendenz von Isolierung und Absonderung der Metapher von der "normalen" Sprache findet bis heute Beachtung. Daneben gibt es auch eine Reihe von Forschungen, die in der Metapher eine konstitutive Form sprachlichen Ausdrucks sehen. Eine dieser Forschungsrichtungen ist die kognitiv-linguistische Analyse der Metapher von Lakoff/Johnson (1980). Lakoff/Johnson bemerken, dass die Sprache im Mechanismus der Metapher begrundet sei, wie die "konstitutive Metapher," die "orientierende Metapher" und die "ontologische Metapher". In dieser Arbeit soil anlehnend an die Untersuchung englischer Gedichte von Lakoff/Turner (1989) eine Analyse metaphorischer Ausdrucke in deutschen Gedichten vorgenommen werden. Gegenstand der Arbeit sind Gedichte von Georg Trakl. In vielen literaturwissenschaftlichen Forschungen wurde festgestellt, dass in Trakls Gedichten Kunstfertigkeit und Anhaufung metaphorischer Ausdrucke, die sich auf "Tod", "Verfall" oder "Angst" beziehen, auffallig sind. In dieser Arbeit soil nachgezeichnet werden, dass solchen Metaphern allgemeine, nicht dichtungspezifische Kompetenzen zugrunde liegen, die beim Verfassen und beim Verstehen von Metaphern der Gedichte in Kraft treten. Kapitel 3 beschaftigt sich mit einem reprasentativen Werk von Trakl, mit dem Gedicht "Verfall". "Verfall" grundet z.B. auf der konstitutiven Metapher "Leben als Reise" und der orientierenden Metapher "Heiliges oben, Tod unten", die auch fur die Alltagssprache von groBter Bedeutung sind. In "Verfall" findet sich auch eine Art von ontologischer Metapher, die Metapher Personifikation, die man auch in der Alltagssprache finden kann. In anderen Gedichten Trakls werden verschiedene Metaphern betrachtet, die auch der Alltagssprache zugrunde liegen. Bin anderes zentrales Anliegen dieser Arbeit gilt der Klarung der Frage, warum man Trakls Dichtung kreativ, ungewohnlich und manchmal unverstandlich findet. Zur Klarung dieser Frage soil in Hinsicht der kognitiven Fahigkeiten die Sprache in Trakls Gedichten mit der Alltagssprache verglichen werden. In Kapitel 4 soil gezeigt werden, dass metaphorische Ausdrucke als kreativ und ungewohnlich erscheinen, wenn sie vom kognitivregelgeleiteten Mechanismus abweichen, welcher der Alltagssprache zugrunde liegt. Die Metapher Personifikation z.B. ist zwar ein ubliches sprachliches Verfahren, aber die Personifikation von Farben, die Trakl gepragt hat, widerspricht dem ublichen sprachlichen Verfahren. Diese Abweichung ist ein Beispiel fur die Besonderheit von Trakls Gedichten. Der Gebrauch der Farbworter in Trakls Gedichten ist auffallig und charakteristisch. In dieser Untersuchung sollen der metaphorische Gebrauch der Farbworter im Zusammenhang mit der synasthetischen Metapher uberlegt und auffallige Abweichungen vom kognitivregelgeleiteten Mechanismus betrachtet werden. Gegen die kognitive Regel der synasthetischen Metapher, die in der Alltagssprache erscheint, werden in Trakls Gedichten verschiedene Farben verwendet, um das Horen und andere korperlichen oder psychologischen Erfahrungen zu erfassen. Auch diese synasthetische Abweichung lasst Irakis Gedichte ungewohnlich und manchmal unverstandlich erscheinen.
著者
瀬川 裕司
出版者
Japanische Gesellschaft für Germanistik
雑誌
ドイツ文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.94, pp.64-75, 1995-03-01 (Released:2008-03-28)

Bald nachdem die Kinematographie im Jahre 1895 erfunden wurde, schauten sich die "Filmpioniere“ der ersten Stunde auf literarischem Felde und beim Theater nach geeigneten Stoffen um. Dabei waren die damaligen Filmstreifen allerdings noch zu kurz, um ihnen die Verfilmung ganzer Werke zu ermöglichen. Die Realisierung von Langzeitfilmen moderner Machart gelang erst um 1910. Bekannte Theaterschauspieler wurden verpflichtet, und man konnte nun anhand literarischer Vorlagen mit einer solchen Schauspieler-Besetzung sogenannte "Kunstfilme“ produzieren. In der Gegenrichtung dienten zahlreiche Filme aber auch als Romanvorlagen. Eine Reihe von Drehbüchern wurde darüber hinaus als Bühnenfassung adaptiert. Nicht wenige Schriftsteller beteiligten sich als Drehbuchautoren an diesem neuen Medium, und gar mancher führte selbst Regie.Peter Handke, der Drehbücher für Wim Wenders schrieb und bislang vier Filme selbst gedreht hat, ist als ein Literat anerkannt, der den Einfluß des Films auf den Prozeß des Schreibens als selbstverständlich postuliert. Bei Literaturverfilmungen wird zumeist die Frage der "Originaltreue“ diskutiert, doch bei Handke muß dagegen schon im Ansatz von einer ganz eigentümlichen Verbindung zwischen Literatur und Film ausgegangen werden. In diesem Aufsatz wird die Frage der künstlerischen Intention Handkes beleuchtet, die seinem Prosawerk "Die Abwesenheit“ und dem von ihm gedrehten, gleichnamigen Film innewohnt.Seine Erzählung "Die Abwesenheit“ hat der Schriftsteller als eine Art "Märchen“ konzipiert. Handke führt seine Figuren wie filmische Bildfolgen zunächst im Präsens vor. Dabei werden in gleichsam langsamen Kamera-Schwenks leere Landschaften gezeigt. Die Figuren und Orte tragan keine Namen. Sie scheinen auch keine Vergangenheit aufzuweisen. Die Personen brechen aus der Zivilisation auf in die existentielle "Abwesenheit“, ins imaginäre Zwischenreich. Sie folgen ihrer Sehnsucht, "im Unterwegssein zu Hause sein“ zu wollen-einem Motiv, das uns aus Handkes Werken und Wenders' Filmen bereits vertraut ist. Verbindungen und Bande bleiben lose geknüpft, und die Figuren führen kaum ein Gespräch miteinander. Wenn sie überhaupt einmal reden, entwickelt sich stets ein recht langer esoterischer Monolog. Handke zeichnet Landschaften im Detail auf, aber seine Menschen erscheinen seltsam und auffallend leblos. Die Erzählung "Die Abwesenheit“ liest sich wie ein Drehbuch, in dem Menschen sich gespenstisch vor den Kulissen bewegen. Überraschenderweise wechseln in der Mitte die Erzähltempora: Präteritum und Perfekt dominieren, und der in der ersten Hälfte objektive Er-Erzähler verlegt sich darauf, gleichzeitig als namenloses "wir“ auf die Vergangenheit zurückzublicken. Der Leser gewinnt den Eindruck, inmitten der Handlung sei plötzlich ein anonymer Narrator aufgetreten. Es ist bis zum Schluß der Erzählung nicht auszumachen, wer dieser Erzähler sein könnte, und die Geschichte an sich endet ohne jeden nennenswerten Höhepunkt. Die Reisenden haben schließlich weder etwas erreicht, noch etwas gefunden. Bei diesem Märchen handelt es sich um einen modernen, zeitgemäßen Entwicklungsroman, in dem die Hauptfigur kein festes Ziel verfolgt und sich auf der Reise kaum entwickelt oder herausbildet. Es geht hier nicht etwa darum, eine wechselvolle Geschichte zu erzählen, sondern alles scheint darauf ausgerichtet zu sein, leere, klare und labyrinthische Landschaften anzubieten, in denen der Leser von sich aus etwas zu finden vermag.
著者
四ッ谷 亮子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.115-128, 2007-10-15

Bei Heiner Muller spielen Motive aus der griechischen Antike durchgangig eine sehr wichtige Rolle. In diesem Aufsatz werden sie zum einen im Bezug auf das Verfahren der "Amalgamierung" (U. Hass) von Mythen und der Struktur der Werke H. Mullers, zum anderen im Bezug auf das in ihnen und durch sie artikulierte Frauen- und Mannerbild untersucht. Daruber hinaus wird die Veranderung der Schreibweise Mullers vom theatralischen Dialog zum 'pluralen Monolog', die manchmal mit der Verwandlung der gewahlten Motive aus der Antike in eins fallt, genauer dargestellt. Und es soll auch der damit zusammenhangende, 'energetische' Wahrnehmungs- und Denkprozess des Lesers bzw. Zuschauers im Theater angesprochen werden. Zunachst wird die erste Phase der Rezeption der griechischen Antike, insbesondere der Tragodie, bei Muller in den 50er und 60er Jahren behandelt. Parallel zum Schreiben der "Produktionsstucke" liest er Werke von Vorgangern und schreibt seine Kommentare zu eigenen lyrischen Werken um. Diese Arbeit der Kommentierung fuhrt weiter zum Theaterstuck "Philoktet" (1958/64). Die Personen in diesem Stuck verlieren den Charakter des prototypischen Helden im Mythos, wodurch Muller auf ein relativiertes Geschichtsmodell Bezug nimmt. 1971 wurde die Honecker-Regierung gebildet, was eine drastische Veranderung der Kulturpolitik nach sich zog. In "Zement", geschrieben 1972, sind Titel, die sich von griechischen Mythen herleiten, oder, damit verbunden, ins Stuck eingeschobene Prosatexte ("Herakles 2 oder Hydra" usw.), d.h. eine distanzierte, komentierte Schreibweise charakteristisch. Die Personen sprechen zwar Dialoge, aber ihr Inhalt trennt sich vom Subjekt der jeweiligen agierenden Personen, und ihre Aussrungen verschwinden im Anonymen, Universalen. In dem Stuck verandert sich auch das Frauenbild : Wahrend zuvor die Frauen im Produktionsstuck sowohl kampfen als auch gebaren wollten, gibt es nun ein anderes Bild von Frauen. Es sind Frauen, die gegen die Gesellschaft kampfen, aber 'nicht gebaren' wollen. Dieses neue Bild der Frauen bezieht sich auf den Medea-Topos und hinterfragt das bisherige, von Mannern zu idealistisch dargestellte Frauenbild. Mullers Aufenthalt in den USA 1975 bot ihm die Gelegenheit weit entfernt von der DDR, die zeitgenossische Geschichte aus einer anderen Perspektive zu betrachten. "Die Hamletmaschine" (1977), geschrieben gleich nach einem Aufenthalt in den USA, stellt deutlicher als zuvor Skepsis in Bezug auf eine stabile Subjektivitat dar, und zwar durch monologische 'Vokalisierung der Diskurse', die das Geschlecht und das Subjekt der Personen zu suspendieren scheint : Mit seinem Text "Ich will eine Frau sein" gibt in der dritten Szene der 'Hamlet Darsteller' seine Mannlichkeit preis, die das abendlandische Wissen als Antrieb der linearen Geschichtsvorstellung symbolisiert. Dagegen mischen sich mit Opheria und Elektra die Rollen, die sowohl Opfer der mannlichen Herrschaft sind, als auch diejenigen, die das schon etablierte System der Geschichte zugrunde gehen lassen und es in veranderter Form aufs Neue rekonstruieren konnen. Muller entfaltet in der "Hamletmaschine" eine paradoxe Argumentation in Bezug auf die Existenz der Frau, die erst dann entstehen kann, wenn es kein Subjekt mehr gibt. Ende der 70er Jahre entstanden parallel dazu verschiedene Texte, die mit einem einfachen Rollenspiel des Schauspielers nicht mehr spielbar, die "metatheatral" sind und die einen Theaterraum brauchen, in dem der polyphone Monolog zum Klingen kommt, der weder mit dem Dialog der griechischen Tragodie noch mit dem interpersonalen Monolog der Neuzeit identisch ist. Das Medea-Motiv, das H. Muller zuerst in "Zement" aufgreift, wird in "Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten" (1982) immer starker. In der zweiten Szene, die einer griechischen Tragodie nachempfunden ist, nimmt der Monolog Medeas, der Protagonistin der Tragodie, die Geschichte der kommenden Ermordung vorweg und zeigt damit auch Medeas Perspektive, die ihrerseits Dramatikerin ist. Medea offenbart auBrdem ihren Wunsch, "die Menschheit in zwei Stucke" zu brechen und "in der leeren Mitte" weder als Frau noch als Mann zu leben. In der dritten Szene, "Landschaft mit Argonauten", werden allerlei "Endstationen der Konsumgesellschaft" ausgestellt (ein leeres Kino, Landschaften aus Mull usw.). Aus den Korpern der verstorbenen Argonauten im fremden Meer scheint sich hier die Geschichte der Kolonisierten, die in die Landkarte der Eroberer eingeschrieben wurde, von der Gegenwart zur Antike zuruckzuwenden. Nun vereinigen sich die Stimme von Medea, die ihr Subjekt als Frau, d.h. als Gebarmaschine der Geschichte aufgibt, und die der namenlosen Opfer der Kolonisation zu allen Zeiten vor dem Horizont des Todes. In "Bildbeschreibung" (1984), eine Ubermalung' von Alkestis, wird das Thema der Zerstreuung des Subjekts auf der Ebene des Todes am weitgehendsten radikalisiert. Der Text setzt die Bewegung einer von nun an zu entstehenden Gewalt, eines Geschlechtsaktes und Mordes in Gang und identifiziert sie mit dem Rhythmus der Blicke des Betrachters des Bildes/Lesers/Zuschauers. Er zitiert dabei verschiedene Texte, das No-Spiel "Kumasaka", "The Tempest" von Shakespeare and Odysseus' Hadesfahrt aus dem 11. Gesang der "Odyssee", wo es sich um die Ruckkehr des Toten handelt, und unter den Namen Admetos, der, gebunden durch ein Apollo gegebenes Versprechen, seine Frau als Opfer darbietet, und Alkestis, die mit Hilfe von Herakles aus dem Hades geholt wird, werden zwei gegenuberstehende Schemata thematisiert : Das erstere thematisiert die Grenze eines Bildes in Richtung auf die Vergangenheit der Autoritat und der Geschichte. Das zweite zeigt die Moglichkeit des Bild-Beschreibens, den Moment des Geschehens in seiner sowohl zeitlichen als auch raumlichen Transzendenz. Mullers "Bildbeschreibung" mit einer vom Theaterstuck entfernten Form, enthalt aber trotzdem durch Meta-Theatralitat eine Reflexion uber Theatralitat, welche den Zuschauern die Frage der Beziehung zwischen der Buhne und ihnen selbst stellt. In der Serie "Wolokolamsker Chaussee 1-5" (1984/87), bei der Muller wieder die Brechtsche Lehrstucktheorie anwandte, gibt es einen Teil (4), wo ein Kentaur, der sich in einen Schreibtisch, ein Symbol des Burokratismus, verwandelt, als Protagonist der Farce auftritt. In den beiden Gedichten um Ajax, "Ajax, zum Beispiel", "Ajax", stellt Ajax einen anonymen Selbstmorder dar, der den zu schnellen politischen Wechsel nach dem Tod Stalins nicht ertragen konnte. Diese beiden Helden beherrschen den polyphonen Monolog, horen den Opfern der Vergangenheit zu und blicken auf den Wendepunkt der Nachkriegszeit zuruck, ohne dabei uber ihre eigene ungeklarte Situation zu klagen, wie die prototypischen Helden in den fruheren Texten.
著者
宮城 保之
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.142, pp.120-132, 2011-03-25

Theologische Interpretationen uber Walter Benjamin wurden bisher hauptsachlich unter dem Gesichtspunkt der judischen Religion bzw. im Hinblick auf den Umgang mit den Theologen, die zu Lebzeiten mit ihm verkehrten, durchgefuhrt. In diesem Aufsatz wird aber versucht, die Korrespondenz zwischen ihm und dem protestantischen Theologen Paul Tillich als Korrespondenz zwischen zwei zeitgenossischen Kulturtheologen zu verstehen. Ausgangspunkt ist der von Tillich 1919 gehaltene Vortrag Uber die Idee einer Theologie der Kultur. Darin bestimmt er die Theologie als Teil der normativen Kulturwissenschaften und entwirft eine Kulturtheologie, die zuallererst das Kunstwerk zum Gegenstand hat. Die Religion wird als "Erfahrung des Unbedingten" gekennzeichnet, und deren Ausdruck in der weltlichen Kultur wird thematisiert. Damit zielt er auf den Ubergang von der autonomen Kultur zur theonomen. In ersterer gilt die Vollendung der Form als das Ziel kunstlerischen Strebens, in der zweiten aber geht es um die Offenbarung eines Gehalts, der allein durch das Zerbrechen der Form zum Vorschein kommen kann. Kennzeichen religioser Kunst ist namlich nicht ein moralischer Inhalt des Werks, sondern die den Inhalt vernichtende radikale Negation der Form und die so zustande kommende Offenbarung des Gehalts. Dieser Entwurf der Kulturtheologie Tillichs korrespondiert in nicht wenigen Punkten dem theologischen Denken Benjamins. Erstens betrachtet auch Benjamin ausfuhrlich das Verhaltnis von Form und Gehalt aus theologischer Perspektive; bei ihm entspricht es jedoch dem Verhaltnis vom Griechischen zum Orientalischen bzw. vom Mythischen zum Gottlichen. In Zwei Gedichte von Friedrich Holderlin bezeichnet er den Gehalt als das orientalische, Grenzen uberwindende Prinzip, das das griechische gestaltende Prinzip aufhebt. In Zur Kritik der Gewalt kommt das Verhaltnis zwischen der rechtsetzenden mythischen und der rechtsvernichtenden gottlichen Gewalt zum Ausdruck. Und wie Tillich die Form als unentbehrliche Vermittlungsinstanz fur die Offenbarung des Gehalts ansieht, so gilt auch bei Benjamin das Mythische vor allem in der Literatur als unentbehrliche Voraussetzung fur die Erwartung des Messianischen. In Goethes Wahlverwandtschaften regiert die mythische Kraft als leise Verfehltheit das Verhaltnis zwischen den Gestalten. Im Werk Kafkas erscheint die mythische Ordnung noch deutlicher als "Entstellung" der Figuren wie jener Odradeks. Andererseits deutet Tillich das Zerbrechen der Form in der expressionistischen Kunst als Ausdruck eines Schuldgefuhls der Existenz im kosmischen Sinne. Zweitens kann man den symbolischen Charakter der Kultur anfuhren. Um in der bedingten Kultur das Unbedingte zu erfahren, braucht man die Kraft der schonungslosen Negation. Auf dieser Wendung vom radikalen Nein zum radikalen Ja beruht der symbolische Charakter der Kultur. In der 1921 veroffentlichten 2. Ausgabe des Vortragstexts anderte Tillich die Definition der Religion von der "Erfahrung des Unbedingten" zu "Richtung auf das Unbedingte". Benjamin sah auch 1918 die Aufgabe der kommenden Philosophie darin, die Erfahrung und Lehre von Gott zu ermoglichen; in der 1921 veroffentlichten Aufgabe des Ubersetzers soll aber die refine, d.h. gottliche, Sprache allein durch einander erganzende "Intentionen" fremder Sprachen erreichbar werden. In den Begriffen "Richtung" und "Intentionen" zeigt sich hier das symbolische Verhaltnis der Kultur zur Religion deutlicher. Als literarisches Beispiel dafur kann man Kafkas Werk anfuhren. Im Gegensatz zu den theologischen Interpretationen uber Kafka seit Brod richtet Benjamin seine Aufmerksamkeit auf darin auftretende Gesten. Sie haben zwar keine sichere symbolische Bedeutung, spielen aber auf etwas an, das auch dem Verfasser unverstandlich ist. Es ist nach Benjamin die Gnade des Werkes Kafkas, dass dieses Etwas nicht festgelegt wird und unvollendet bleibt. Tillich beachtet auch Symbole in den Romanen Kafkas, sieht diese aber als Symbole der Angst, die auf etwas Angsterregendes, jedoch Unbestimmtes, gerichtet sind. Obwohl sich Benjamin wie Tillich fur die symbolische Dimension der Sprache interessiert, spielt bei ihm die Allegorie eine entscheidende Rolle fur die Erlosung. Sie beruht auf dem judischen Messianismus, der im Gegensatz zum christlichen keine Inkarnation kennt und die Erlosung als Ausgleich fur die Katastrophe ansieht. Sowohl nach Tillich als auch nach Benjamin beruhen die stilistischen Merkmale der avantgardistischen Kunst auf der damals vorherrschenden theologischen Forderung, bei der das Negative eine unentbehrliche Rolle spielt. Theologisch gesehen gilt es als Widerstand gegen die pseudoreligiose Ideologisierung der Kultur. Andererseits darf aber auch nicht vergessen werden, dass eine dialektische bzw. paradoxe Verbindung des Negativen mit dem Positiven immer gefordert werden soll, die allein theologisch begrundet werden kann.