- 著者
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平松 智久
- 出版者
- 日本独文学会
- 雑誌
- ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
- 巻号頁・発行日
- no.142, pp.133-148, 2011-03-25
Das Thema dieser Untersuchung ist der Versuch einer Auflosung des "Hexen-Einmaleins" (V. 2540ff.) in Goethes Faust, um die Stellung der "Hexenkuche" im Zusammenhang des gesamten Werkes abzuschatzen. Zwar haben bisher schon viele Faust-Forscher das "Hexen-Einmaleins" zu entschlusseln versucht, um dessen Geheimnis und seine Bedeutung zu offenbaren, darunter J. Trump, H. Petzsch, K. Fischer, E. Schmidt, K. S. Levedahl, H. Arens, A. Schone und U. Gaier, es erscheint abet problematisch, dass sich fast alle diese Arbeiten nur auf die Erlauterung des "Hexen-Einmaleins" konzentrieren, und, was noch schlimmer ist, dass fast alle folgern, das "Hexen-Einmaleins" sei letztlich "Unsinn", so wie es Goethe selber manchmal behauptete (vgl. V. 2573; WA 43, 197). Der Grund, warum sich trotzdem viele Leute (freiwillig) damit herumqualen, ist eine intellektuelle Fingerubung oder, um Mephistopheles zu zitieren: "[…] ein vollkommner Widerspruch/Bleibt gleich geheimnisvoll fur Kluge wie fur Toren." (V. 2557f.) Es geht ihnen darum, die eigenen Ratsel des Lebens damit aufzuklaren. Aber um die wahre Bedeutung des "Hexen-Einmaleins" zu erkennen, musste man meiner Meinung nach die Szene grundlich untersuchen, in die der Text eingelassen ist und in der die Hexe, die mit ihnen Meerkatzen lebt, die Zauberworte "aus dem Buch" (vor V. 2540) fur Faust deklamiert. Die Atmosphare der "Hexenkuche" wird durch den Hexenspruch verdichtet und die Art und Weise der Gestaltung dieser Szene unter dem Einfluss des "Hexen-Einmaleins" ist zugleich der Schlussel zur Auflosung desselben. Die "Hexenkuche", die Goethe im Februar 1788 nach dem zweimaligen Besuch des romischen Karnevals schrieb, ist, nicht anders als dieser, eine auf den Kopf gestellte Welt, in der die Gegensatze sich ineinander verkehren und gleichzeitig eine Einheit bilden konnen: heilig und profan, klug und narrisch, neu und alt, hell und dunkel, hoch und niedrig, vor und nach, Traum und Wirklichkeit, Wahrheit und Luge usw. Auch das "Hexen-Einmaleins" wird von der Hexe "[d]ie hohe Kraft/[d]er Wissenschaft" (V. 2567f.) genannt, wahrend es Faust nur verhohnt. Aber Faust verjungt sich in der Tat in dieser Szene durch den Trank der Hexe und die Wirkung des Hexenspruchs. Damit ist ein Wendepunkt erreicht: von der "Gelehrten-Tragodie" zur "Gretchen-Tragodie", fur Faust von der metaphysischen Erfahrungswelt zur sinnlichen Erlebniswelt und vom "ersten Teil" zum "zweiten Teil" der Tragodie, weil Goethe die Szene schrieb, nachdem er die Struktur des ganzen Werkes nochmals durchdacht hatte (vgl. HA 11, 525). Die These des vorliegenden Aufsatzes ist, dass sich hinter dem "Hexen-Einmaleins" etwas versteckt halt, was man am ehesten als eine ins Gegenteil verkehrte Rechnung oder Darstellung der Welt auffassen kann: Wollte man den "Unsinn" als eine Storung der Beziehungen zwischen den Worten beschreiben, so lassen sich drei Gesetzmassigkeiten ausmachen: 1) zeitlich falsche Zusammenhange, 2) inhaltlich falsche Zusammenhange und 3) verneinende Verhaltnisse. Damit konnte man das "Hexen-Einmaleins" folgendermassen "ubersetzen": Aus Zehn mach' Eins, 10→1 Und Zwei mach' gleich, 1+2=3 Und Drei lass gehn, 3-3 So bist du nicht reich. =0 Mache die Vier! 0+4=4 Mit Funf und Sechs, 4+(5+6) So sagt kein' Hex', =15 Zieh' Sieben und Acht ab, 15-(7+8) So ist's nicht vollbracht: =0 Und Eins ist nicht Neun, 1≠9 Und keins ist nicht Zehn. 0≠10 Das ist kein Hexen-Einmaleins! Aber das Ziel dieser Arbeit ist nicht die Bestimmung dieses Textabschnitts als "Unsinn", sondern eine Interpretation des betreffenden "Unsinns" hinsichtlich des ganzen Werkes. Das "Hexen-Einmaleins" ist eigentlich ein Zauberspruch, der Faust vor dem Tod durch den Verjungungstrank schutzen soll. Der Wissenschaftler, der die Welt vermittels Worten vergebens erforschte, kann die Negativitat dieser seiner Welt nicht mehr ertragen, so dass er den Giftbecher an den Mund setzt (nach V. 736) und eine Wette mit dem Teufel Mephistopheles abschliesst. Aber gerade weil er hier an "Irrtum statt Wahrheit" (V. 2562) glaubt, kann das Leben von Faust eine ganz entgegengesetzte Richtung nehmen! Der "Unsinn" wird deswegen ohne Worte sinnvoll und bedeutungsvoll in dieser auf dem Kopf stehenden Welt, eben weil er ganz und gar "Unsinn" ist. Goethe nannte in seinem letzten Brief an W. von Humboldt den Faust "sehr ernste Scherze" (WA 49,283). Der alte Naturforscher wollte sein Gedicht als eine Art von Natur betrachtet wissen, in der das Gesetz von Polaritat und Steigerung lebendig Wirkungen erzeugt. Denn nicht nur in der Natur selbst, sondern auch im Kunstwerk sollte sich eine solche Lebendigkeit entfalten. Vor diesem Hintergrund kann man die Worte des "Hexen-Einmaleins" als den Ausdruck Goethescher Naturauffassung in seiner Dichtung betrachten.