- 著者
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山田 泰完
- 出版者
- Japanische Gesellschaft für Germanistik
- 雑誌
- ドイツ文學 (ISSN:03872831)
- 巻号頁・発行日
- vol.86, pp.12-23, 1991-03-01 (Released:2008-03-28)
Die Geschichten vom Gral, die anscheinend völlig unerwartet zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts und dem Anfang des 13. Jahrhunderts entstanden, weisen eindeutig änigmatische Züge auf. Es fehlen Dokumente und Belege, die den Hintergrund und die Umstände der Überlieferung näher beleuchten. Viele Belege gingen auch durch die mündliche Überlieferung der Geschichten verloren. Sollte es diesbezüglich Dokumente gegeben haben, so sind sie zurückgehalten, verfälscht oder vernichtet worden.In der Ziet um die Jahrhundertwende, die nicht mehr durch eine Atmosphäre der Aufgeschlossenheit, sondern durch eine der religiös-gesellschaftlichen und kulturell-geistigen Unterdrückung gekennzeichnet war, wurde die "Geschichte vom Gral“ nur als mythologisierte überliefert. Mit der Zeit wurde aus dem Mhytos vom "Gral“ ein Märchen, und er wurde nur noch zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Er war lange nicht mehr ein mythisches Moment, ein Symbol des Idealen, geschweige denn ein Gegenstand wirklicher Suche.Das Fieber hinsichtlich der Gralssuche in der Gegenwart kann durchaus als ein neues Mythologisierungsphänomen bezeichnet werden; es ist ein Beweis dafür, daß, was gegenwärtig geschieht, unmittelbar mythenbildend sein kann. Dieses Referat betrifft also den Gegenstand mediävistischer Forschung nur am Rande, ich hoffe aber, daß das Verständnis gegenwärtiger Mythologisierungsphänome auch zu einem besseren Verständnis solcher Erscheinungen im Mittelalter ein wenig beitragen kann.Wolfram von Eschenbach denkt bei seiner Darstellung des Grals an einen tatsächlich existierenden Kelch, und aufgrund konkreter Hinweise lassen sich Vermutungen hinsichtlich seines Aufbewahrungsortes anstellen. Die Legende um diesen Kelch ist mit der um Glastonbury vergleichbar. Wolfram hat dies aber aus nicht bekannten Gründen verschwiegen. Obwohl er betont, daß der Gral trotz größter Anstrengung unerreichbar ist und an einem unauffindbaren Ort verborgen, ist deutet er selbst auf diesen Ort hin. Dies kann als ein Ablenkungsmanöver angesehen werden, da er seine tatsächliche Absicht zu verschleiern versucht. Auch die Frage hinsichtlich der Vorlage könnte damit in Verbindung stehen. Die Tatsache, daß Wolfram über so viele Kenntnisse verfügt, weist darauf hin, daß ihm außer Chréstiens Werk weitere Quellen zur Verfügung standen. Daß wir keine entsprechenden Belege, ja nicht einmial Spuren davon auffinden können, liegt wahrscheinlich daran, daß die Überlieferung des Wissens mündlich erfolgte. Gerade die mündliche Überlieferung des esoterischen Wissens erfolgte möglicherweise in weit größerem Ausmaß als wir es uns bisher vorgestellt haben.Die gnostisch-esoterische Interpretation wie bei Rudolf Steiner, die den Gral als Symbol des gnostischen Wissens ansieht, wird hier nicht ausführlich erörtert, obwohl sie sich heutzutage mehr und mehr durch-setzt. In diesem Fall wird der Gral nur als Symbol des Gesuchten und nicht als Gegenstand der wirklichen Suche an sich betrachtet. Freilich nimmt er als deren Gegenstand in manchen Fällen auch solch esoterische Züge an. Seit Otto Rahn das moderne Mythologisierungsphänomen wieder aufgegriffen hat, scheint das Languedoc das Zentrum der Gralsu-chenden von heute geworden zu sein. Wie in der damaligen Übergangszeit, so scheint auch heutzutage eine neue Sage zu entstehen, die wohl ebenfalls nur als Mythos überleben kann. Das Wort San Graal im Okzitanischen wird als Anagramm Sang Raal (königliches Blut) wiedergegeben und im Sinne einer "Blutlinie“ von David über Salomon, Jesus und die weiteren Nachfahren interpretiert.