Bis zu seinem Roman Narziß und Goldmund (1930) figuriert das Mütterliche als zentrales Thema Hermann Hesses (1877-1962). „Das Mütterliche" ist ein kollektives Symbol der Mutter und „die blonde strahlende Frau" eine konkrete Gestalt „des Mütterlichen". Für Narziß und Goldmund war zuerst der Titel Goldmunds Weg zur Mutter vorgesehen, woraus erhellt, dass die Geschichte um das verlorenen Bild von Goldmunds Mutter kreist und dann in das Thema „des Mütterlichen" übergeht. Zu Muttergestalten in Hesses mittleren und späten Werken liegen Arbeiten von Benett (1972) und Minkus (1997) vor. Am Leitfaden der Psychoanalyse Jungs vergleiche ich die Abhandlungen von Baumann (1997, 1999) und Ozawa (1982). Da die Psychoanalyse einen Schlüssel zum mittleren und späten Hesse liefert, orientiert sich die Interpretation in der vorliegenden Arbeit hauptsächlich an der Jungschen Archetypenlehre. Vergleicht man Hesses mittlere und späte Romane, etwa Demian mit Narziß und Goldmund, dann lassen sich bestimmte Bedeutungsveränderungen „des Mütterlichen" beobachten. Um sie zu analysieren, wird auch die Offenbarung des Johannes aus dem Neuen Testament herangezogen, da sie einige wörtliche Anspielungen auf den behandelten Komplex „des Mütterlichen" enthält.