著者
小野寺 賢一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.162, pp.178-195, 2021 (Released:2022-03-25)

Der Begriff „lyrisches Ich“ ist hauptsächlich verwendet worden, um das Aussagesubjekt im lyrischen Text von seinem Urheber (Autor/Autorin) zu unterscheiden. Dabei wurde ab den 1950er bis in die 1990er Jahre hinein die Bedeutung des „lyrischen Ich“ unterschiedlich und manchmal widersprüchlich interpretiert, was zu einer gewissen begrifflichen Unschärfe führte. Ab Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich die Debatte schließlich von den Versuchen einer Definition des „lyrischen Ich“ auf die Suche nach einem grundlegend neuen Konzept. Dieter Burdorfs Vorschlag (1995/1997/2015) und Wolfgang G. Müllers Kritik daran (2011/2016) zeigten jedoch, dass die bloße Unterscheidung von realem Urheber und Sprecher im lyrischen Text die Forschung nicht vollständig zufriedenstellen kann. Ein Ansatz, den auch Carolin Fischer (2007) verfolgt, ist die Analyse jener literarischen Konventionen, die bei den Lesenden eine Überlappung von Autor/Autorin und Aussagesubjekt im lyrischen Gedicht auslösen. Unter dieser Prämisse wird die Bedeutung von Margarete Susmans Das Wesen der modernen deutschen Lyrik (1910) deutlich. Bislang wurde ihre Leistung vor allem im Hinblick auf das Konzept des „lyrischen Ich“ gesehen, mit dessen Hilfe das „Ich“ im lyrischen Text vom „empirischen Ich“, also dem Autor/der Autorin als biographischem oder empirischem Wesen, unterschieden werden kann. Susman befasste sich jedoch auch intensiv mit der Frage, weshalb diese beiden Instanzen verwechselt werden. Sie führte aus, dass die moderne Gesellschaft kein gemeinschaftliches kulturelles Weltbild mehr haben könne, da die Religion ihre verbindende Kraft verloren habe. Daher spiegeln sich nach Susman in Gedichten, insbesondere seit der deutschen Romantik, die eigenen Interessen und Träume der Dichter wider, weshalb das „lyrische Ich“, das immer noch genauso wie im Mittelalter ein Symbol des entpersonifizierten Individuums in Bezug auf die Welt als Ganzes sei, häufig mit dem empirischen Ich verwechselt werde. Deswegen seien die neuesten Gedichte oft sehr „esoterisch“, was bei Stefan Georges Dichtung in besonders typischer Weise zu beobachten sei. In dieser Hinsicht behandelte Susman also ähnlich wie die bereits genannten Wissenschaftler das Problemfeld der Doppelbödigkeit des lyrischen Sprechers. Als Oskar Walzel 1916 das „lyrische Ich“ in die germanistische Fachdiskussion einführte, berücksichtigte er diesen Aspekt nicht. Während er die Dichtung der „Entpersönlichung“, deren Sprecher das „lyrische Ich“ sei, dem Bereich der „echten Lyrik“ zuordnete, klassifizierte er die Dichtung zum Ausdruck des Persönlichen als „Lyrik des Aufschwungs“. Auf diese Weise wurde das Problem einer Verwechselung oder Überschneidung der beiden Instanzen ausgeblendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Urheberschaft literarischer Werke zu einem zentralen Thema wurde, wurden die von Walzel postulierten Eigenschaften des Aussagesubjekts in der „echten Lyrik“ zur Analyse der Lyrik im Allgemeinen herangezogen. Folglich wurde das „lyrische Ich“, welches Susman als Dichterin aus poetologischer Sicht entwarf, zum analytischen Mittel für die grundsätzliche Definition der Sprecher-Instanz im lyrischen Text. Dies führte dazu, dass Ausführungen zu Susmans Konzept zur Einseitigkeit tendieren. Symptomatisch dafür ist z. B. Matías Martínez’ (2002) Auffassung, Susman habe mit ihrem Konzept eine biographische Auslegung von Gedichten abgelehnt. Eine genaue Analyse von Susmans Werk zeigt jedoch, dass für sie die Frage, ob ein lyrisches Werk biographisch gelesen werden darf oder nicht, irrelevant war. Vielmehr untersuchte sie die Bedingungen jener Doppelbödigkeit, auf deren Grundlage der Leser dazu verleitet wird, ein Gedicht auch als unmittelbare Äußerung des Dichters zu betrachten. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
小野寺 賢一
出版者
日本シェリング協会
雑誌
シェリング年報 (ISSN:09194622)
巻号頁・発行日
vol.29, pp.16, 2021 (Released:2021-10-02)

Dieser Aufsatz erörtert den Einfluss von G. W. F. Hegels Lyriktheorie auf Margarete Susmans Begriff vom „lyrischen Ich“. Unter besonderer Berücksichtigung von Wilhelm Diltheys Das Erlebnis und die Dichtung (1906) versuchte Susman die Art und Weise zu präzisieren, in der ein Dichter von einem individuellen Erlebnis ausgehend ein Gedicht als Symbol des Lebens erschafft. Sie geht davon aus, dass das Absolute durch das Erlebnis des Dichters als Leben in Erscheinung trete. In dieser Auffassung bezieht sie sich auf die bei Hegel formulierte dialektische Beziehung zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen sowie auf dessen Begriff der „Aufhebung“. In seinen Vorlesungen über die Ästhetik (1835–1838) identifizierte Hegel allerdings den Sprecher des lyrischen Gedichts mit dem Dichter, also dem realen Autor, der sich durch die lyrische Poesie von der eigenen Empfindung befreie, um diese als Objekt zu gestalten. Somit benötigte Susman einen eigenständigen Begriff für ihre Theorie: Anhand des lyrischen Ich arbeitete sie heraus, dass die lyrische Dichtung auch den Sprecher als deren Objekt konstruiert. Bedeutsam ist der Unterschied zwischen Hegel und Susman hinsichtlich der Auffassung von der „allgemeinen Gültigkeit“ der Lyrik. Mit diesem Begriff argumentierte Hegel, dass im lyrischen Gedicht subjektive Empfindungen des Dichters so ausgedrückt würden, dass Rezipienten imstande wären mitzufühlen. Die allgemeine Gültigkeit der Lyrik bei Hegel bezieht sich also auf den Inhalt des Gedichts. Für Susman hingegen bringt die Lyrik die allgemeine, formale Beziehung zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen symbolisch zum Ausdruck, insofern das lyrische Ich Teil der Gedichtwelt sei. Der vorliegende Aufsatz arbeitet heraus, dass Susman versuchte, Hegels Lyriktheorie durch die Anwendung von dessen zentralen Konzepten der Dialektik und Aufhebung zu überwinden.