H.Grundmann hat in seinen Uberblick uber "Volksgeschichte (Origo gentis)" festgestellt : "Deutschland aber bekam im Mittelalter keine Darstellung seiner Volksgeschichte, als fehlte ihm der Blick auf eine gemeinsame Vergangenheit. Jeder Stamm hatte, nur teilweise aufgezeichnet, seine eigenen Erinnerungen, die noch nicht zu einer gemeinsamen Tradition verschmolzen waren, als die Stammesverbande sich auflosten...". Gab es im Mittelalter wirklich keine Origo gentis Teutonicorum? Es ist H.Thomas zu verdanken, daβer uns auf eine merkwurdige Geschichtserzahlung uber "Julius Caesar und die Deutschen" im mhdt. gedichteten Annolied, das um 1077/81 vermutlich in Koln bzw. Siegburg entstand, aufmerksam gemacht hat. In dem Strophen 19-28 berichtet der unbekannte Dichter zuerst uber Caesars Kampf gegen die vier Volker der Schwaben, der Bayern, der Sachsen und der Franken, und die Unterwerfung dieser Volker eines nach dem anderen durch ihn. Dabei wird jeweils die Origo des betreffenden Volkes im Sinne der Herkunftssage erzahlt, und es folgt weiter : weil Caesar in Rom nicht in der gebuhrenden Weise empfangen wurde, kehrt er zu den deutschen Landern zuruck, gewinnt als Bundesgenossen die vorher Besiegten. Mit ihnen vertreibt er Cato, Pompeius und den Senat in einer gewaltigen Schlacht und gewinnt damit alle Reiche. Seitdem waren die deutschen Mannen (diutschi man) in Rom geliebt und geschatzt... Nach dieser Geschichte oder genauer "Geschichtsklitterung" sind die Deutschen nicht wie ihre vier Volker (gentes) eine Abstammungsgemeinschaft, sondern erst durch die Unterwerfung durch Caesar und durch ihrem Bund mit ihm zu einer neuen, einheitlichen Gemeinschaft zusammengefugt worden. Das Romische Reich verdankt seinerseits seine Grundung als Monarchie, als Alleinherrschaft der Hilfe der Deutschen : Origo gentis Teutonicorum et Romani Imperii. Im zweiten Teil dieses Aufsatzes geht es hauptsachlich darum, Komplexitat des Identitatsproblems der Deutschen im romisch-imperial bzw. christlich-universal gepragten Mittelalter vor allem auf Grund von historiographischen Werken nachzudenken. Daneben wird aber auch die Zeitgebundenheit des neuzeitlichen Volks-und Stammesbegriffs erneut gepruft.