著者
石橋 諭
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.160, pp.171-187, 2020 (Released:2021-06-04)

Friedrich Nietzsche kritisierte in der frühen Periode seines Schaffens, in der ersten Hälfte der 1870er Jahre, die Bildungssituation im Deutschland seiner Zeit. Dabei folgte er dem Ideal der ganzheitlichen Menschenbildung und einheitlichen Kultur und nahm das antike Griechentum zum Vorbild. Allerdings verwarf er dieses Ideal in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre wieder. Wegen des Bildungsideals seiner frühen Periode betrachtete die bisherige Forschung Nietzsche jedoch als Wiederhersteller des neuhumanistischen Ideals. Hierbei aber wurden die sozialen Kontexte der Bildungssituation außer Acht gelassen und daher auch Nietzsches Kritik an ihr nicht ausreichend analysiert. Deshalb konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die genaue Darstellung seiner Kritik an der Bildungssituation, um zu überprüfen, ob sich die Bildungskonzeption beim frühen Nietzsche tatsächlich auf den Versuch, das neuhumanistische Ideal wiederherzustellen, reduzieren lässt. Hierzu wird in dieser Abhandlung die Kritik am deutschen Bildungsbürgertum in Nietzsches früher Schrift, den „Ersten Unzeitgemäßen Betrachtungen“ ausführlich untersucht, das sich nach dem Sieg des Deutsch-Französischen Krieges (1870-71) herausbildet. Da seine Kritik bisher vor allem im Zusammenhang mit dem neuhumanistischen Bildungsideal interpretiert wurde, Nietzsches Anspruch aber darüber hinausgeht, und das soziale Umfeld nicht berücksichtigt wurde, sind viele wichtige Aspekte weiterhin nicht erschöpfend analysiert. Nietzsche sieht die Fixierung auf die wissenschaftlich objektiven und historisch geordneten Kenntnisse, die in den 1870er Jahren vorherrschten, als zu einem Selbstzweck verkommen an. Hierdurch habe sich der Mensch von seiner eigenen Kultur entfremdet und eine ganzheitliche Bildung des Menschen sei unmöglich geworden. Aber Nietzsche kritisiert die Konzentration auf Geschichtswissen nicht nur vom Standpunkt des antiken Bildungsideals aus. Für ihn ist auch der Einfluss des sogenannten ‚Bildungsphilisters‛ auf die deutsche Kultur angesichts der sozialen Bedeutung der historischen Bildung überaus negativ. Genau diesbezüglich aber wurden bislang die falschen Kontexte als Voraussetzung für Nietzsches Kritik betrachtet; nämlich die Popularisierung der Bildung und der Untergang des Bürgertums am Ende des 19. Jahrhunderts. Aber Nietzsche stellt heraus, dass sich unter den gebildeten Bürgern eine Art privilegierte soziale Schicht, ein „Bildungsbürgertum“, bildet. Als Resultat dieser Entwicklung etabliert sich in der neu entstandenen Bildungsschicht die Vorstellung, dass der erreichte Bildungsstand der höchste in der bisherigen Menschheitsgeschichte sei, den Nietzsche mit dem Schlagwort des Bildungsphilisters als Hybris und ideologisch konstruiert entlarven will. Seiner Meinung nach entstand durch die Vorherrschaft des Historismus eine Kluft zwischen dem Inneren und dessen Ausdruck, die alle Bereiche des Lebens in Deutschland betreffe. Nietzsche bezeichnet diese Situation als stilistisches Durcheinander, „ein System der Nicht-Kultur“. Angesichts dieser sozio-kulturellen Struktur polemisiert Nietzsche ferner gegen das Bekenntnis des Bildungsphilisters zu seiner emotionalen Sensibilität – eine Empfindlichkeit, die er als ein typisches Phänomen seiner Zeit ansieht. (View PDF for the rest of the abstract.)