- 著者
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菊池 良生
- 出版者
- 日本独文学会
- 雑誌
- ドイツ文学 (ISSN:03872831)
- 巻号頁・発行日
- vol.72, pp.11-19, 1984
Das Wort Epigone bedeutete ursprünglich nur Nachkommen und beschränkte sich auf die genealogische Sphäre. Also hatte es früher keine pejorative Bedeutung. Aber nach der Erscheinung von Karl Immermanns Roman “Die Epigonen” erfährt der Epigonenbegriff seine Umdeutung. Ein Wörterbuch sagt, ein Epigone sei der, “der ein Vorbild ohne eigene schöpferische Kraft nachahmt”. Dieser umgedeutete Epigonenbegriff wurde rasch in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts verbreitet. Diese Aufnahme und Verbreitung des umgedeuteten Begriffs hängt eng mit der führenden Literaturtheorie des 19. Jahrhunderts zusammen, -der Theorie, die “eine Originalität an und für sich staturiert und den Begriff geistiger Tradition nur höchst bedingungsweise anerkennt” (Hofmannsthal). Aber in letzter Zeit ist dieser Epigonenbegriff gründsatzlich in Frage gestellt worden. Friedrich Sengle sagt: “Wir sind im Laufe der Zeit mit der Anwendung dieses Begriffs vorsichtiger geworden, denn wir haben durch die Betrachtung der älteren Kulturen erkannt, daß es zur Hervorbringung großer Werke keiner bewußten Originalität bedarf.” Aber was ist die Originalität in der Literatur?<br>Es wird immer behauptet, Heinrich Leuthold stehe ganz in der Nachfolge Platens und sein Genuva-Sonett entspreche ganz dem Venedig-Sonett Platens. So gilt Leuthold als einer der Platenepigonen: er ahmte Platen durchaus ohne eigene schöpferische Kraft nach. Aber was ist eine Nachahmung? Diese Frage zieht eine wichtigere Frage nach: Was bedeutet die alte berühmte These über den Umschlag von der Nachahmung zur Originalität?<br>Anhand eines Vergleichs zwischen dem Venedig-Sonett von Platen und dem Genuva-Sonett von Leuthold, -wobei in beiden Dichtungen die Hauptströmung der deutschen Lyrik des 19. Jahrhunderts umgangen wurde und ein Weg zu der alexandrinischen Lyrik des 20. Jahrhunderts führte, -erörtert der vorliegende Aufsatz den Umschlag von der Nachahmung zur Originalität.