- 著者
-
金 志成
- 出版者
- 日本独文学会
- 雑誌
- ドイツ文学 (ISSN:24331511)
- 巻号頁・発行日
- vol.160, pp.141-154, 2020 (Released:2021-06-04)
„Die vielen Preise für literarisches Schaffen, die heute in der ganzen gebildeten Welt verliehen werden, bezeugen den Glauben der Oeffentlichkeit, Schriftstellern etwas schuldig zu sein.“ – Emil Staigers Rede über Literatur und Oeffentlichkeit, die er 1966 anlässlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Stadt Zürich hielt, bezeugte ironischerweise das Gewicht dieses „Glauben[s] der Oeffentlichkeit“, als sie mit der reaktionären Kritik an der Gegenwartsliteratur den „Zürcher Literaturstreit“ auslöste, in dessen Folge der Nimbus des Kritikers
Staiger allmählich verblassen sollte.
Solange sie veröffentlicht wird, kann Literatur nicht unabhängig von der Öffentlichkeit sein, die aber nicht uneingeschränkt mit der Leserschaft gleichgesetzt werden darf. Während letztere sich für den vom Autor geschriebenen Text interessiert, will erstere die Stimme des Autors hören. In diesem Sinne sind die heute in Deutschland veranstalteten Lesungen und Poetikvorlesungen als Teil der literarischen Öffentlichkeit anzusehen, in der sich der Austausch zwischen dem realen Autor und der Öffentlichkeit verwirklichen lässt. Scheinbar gleichgültig gegenüber den Tendenzen postmoderner Literaturtheorie wie der „Tod des Autors“ oder die „Logozentrismus-Kritik“ nimmt in der Öffentlichkeit die Präsenz des Autors immer mehr zu.
Eine solche Vorstellung von Öffentlichkeit hat aber ihre Grenzen, die offensichtlich werden, wenn man sich einem Autor wie Thomas Melle zuwendet, der wegen seiner bipolaren Störung schon mit dem Betreten des öffentlichen Raums, wie er sagt, „überfordert“ sei. Weil er über die von Habermas vorausgesetzte „kommunikative Rationalität“ nicht verfügt, steht Melle unvermeidlich „alleine in der Ecke“, wenn er aus der Öffentlichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
Sein jüngstes autobiographisches Werk Die Welt im Rücken (2016), in dem der Autor seine manisch-depressive Erkrankung zum ersten Mal öffentlich machte, lässt sich – so die These – als ein Vorhaben lesen, gewissermaßen in der „Ecke“ der Öffentlichkeit eine „alternative Öffentlichkeit“ bzw. „Gegenöffentlichkeit“ zu konstituieren. Ausführlich rekapituliert wird in diesem Buch jeder dreiste und manchmal auch skandalöse Auftritt des Autors in den öffentlichen Veranstaltungen, was nicht nur sein public image als Schriftsteller schädigte, sondern ihn darüber hinaus zu einer „Gestalt aus Gerüchten und Geschichten“ machte.
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