著者
森澤 万里子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.136, pp.85-99, 2008-03-25

Der Einfluss der im 16. Jahrhundert allgemein verbreiteten Buchdruckerkunst auf die Entstehung der deutschen Schriftsprache ist im Grossen und Ganzen von den Sprachhistorikern anerkannt, und auch in den Medienwissenschaften haben diese Zusammenhange Erwahnung gefunden. Die Erforschung dieser Einflusse im Einzelnen ist hingegen langst nicht abgeschlossen, so zum Beispiel die Untersuchung des Verlaufs des Sprachausgleichs innerhalb eines Druckorts, der parallel mit dem Ausgleich der regionalen Sprachen erfolgte. In diesem Zusammenhang versucht die vorliegende Arbeit zu ermitteln, von welchen Anhaltspunkten man bei der Betrachtung der Beziehung zwischen dem Sprachgebrauch in Druckschriften und dem von Stadtbewohnern aus dem 16. Jahrhundert ausgehen muss, wenn man mediengeschichtliche Faktoren in Betracht zieht: Adressanten und Adressaten der durch das neue Medium vermittelten Informationen, Druckerei, Drucker sowie gedruckte Texte. Dabei soll als ein Beispiel einer der bedeutendsten Druckorte im 16. Jahrhundert, Nurnberg, herangezogen werden. Spricht man uber die Buchdruckerkunst in der deutschen Sprachgeschichte, kommt die Rede freilich auch auf die Reformation, zweifellos das wichtigste Ereignis im 16. Jahrhundert. Der Rat der Stadt Nurnberg fuhrte die Reformation relativ fruh ein. Ein Jahr nach der Veroffentlichung der "95 Thesen" kam Luther in Nurnberg vorbei, und damals sprachen viele Ratsherren fur ihn. Daher warden viele Schriften fur die neue Lehre in Nurnberg gedruckt. Ihre Autoren sind nicht nur Geistliche wie der Prediger der Pfarrkirche Andreas Osiander, sondern auch Personen verschiedener Stande, z. B. der Ratsschreiber Lazarus Spengler und der Handwerker Hans Sachs. Seit 1517 nahm die Anzahl von Druckschriften in deutscher Sprache sprunghaft zu, nicht zuletzt die von Flugschriften und Flugblattern. Wenn der Buchdruck allerdings nur zur schnellen und zahlreichen Wiederherstellung des Althergebrachten beigetragen hatte, konnte er, wie in Schmidt (1993) erwahnt, nicht als neues Medium angesehen werden. Einerseits konnten die Empfanger schneller auf die durch den Buchdruck verbreiteten Informationen reagieren, andererseits konnten die Absender nach deren Reaktion weitere Informationen in Umlauf setzen, das heisst, das neue Medium ermoglichte eine schnelle Ruckkopplung und damit einen neuen Autoren-Leserbezug. Diese Eigenschaft des Buchdrucks kam vor allem den Flugschriften und Flugblattern zugute. Die Schriften der oben genannten drei Nurnberger wurden auch zum Teil in der Form von Flugschriften in die Welt geschickt. Uber die Anzahl von Adressaten der auf diese neue Weise vermittelten Informationen beziehe ich mich auf die Schatzung von Endres (1984). Danach konnten im Nurnberg vor und nach der Reformation mehr als 10 Prozent der Stadtbewohner lesen und schreiben. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es damals neben den ublichen Lateinschulen auch eine nicht kleine Anzahl von "deutschen Schulen" gab. Im Allgemeinen wurde in den ersteren darauf gezielt, Eliten auszubilden. Die deutschen Schulen hingegen wurden fur die Bedurfnisse von Kaufleuten und Handwerkern errichtet. Dort hatten sogar Madchen die Moglichkeit, sich zu bilden. Dies zeigt, dass das Lesen nicht mehr nur einer kleinen Elite vorbehalten war. Die Drucker versuchten den besten Weg zu finden, um die Kauflust der Leser anzureizen. Die Buchdruckerkunst wurde 1470 nach Nurnberg gebracht. Kurz danach begrundete der erfolgreichste Nurnberger Drucker, Anton Koberger, seine Druckerei. Sein Erfolg ist seinem scharfen Sinn fur die Reaktion von Kaufern zuzuschreiben. Zum Beispiel liesser den Buchern sofort Holzschnitte hinzufugen, als er merkte, dass solche Bucher besseren Absatz fanden. Die nachste Generation nach Koberger druckte in der Reformationszeit viele religiose Schriften, die bei zahlreichen Leuten verschiedener sozialer Schichten auf starkes Interesse stiessen. Auch nach dem Augsburger Religions-frieden (1555) wurden religiose Schriften veroffentlicht. Allerdings ubte der Nurnberger Rat strenge Zensur bei gedruckten Schriften, die den Frieden storen konnten. In dieser Situation brachte einer der Nurnberger Drucker, Leonhard Heussler, verschiedene Sorten von Schriften auf den Markt, die nicht zum Gegenstand der Zensur gemacht wurden: Werke von Hans Sachs, Andachts- und Gebetbucher, ein Kartenspielbuch usw. Nach Bezzel (1999) allerdings ist sein bedeutendster Verdienst, dass er viele Neuigkeitsberichte in der Form von Flugschriften und Flugblattern in der Welt verbreitete. Seine Druckerei produzierte 63 Neuigkeitsberichte, und sie wurden zum Teil so haufig auch von anderen Druckern nachgedruckt, dass in Suddeutschland kein anderer vergleichbar hohe Auflagen erreichte. Ein Grund dafur liegt wahrscheinlich darin, dass er Themen auszuwahlen wusste, die beim Publikum gut ankamen. Vor diesem mediengeschichtlichen Hintergrund konnte man Ansatze fur die Ermittlung von Einflussen des neuen Mediums auf die Stadtsprache gewinnen: Ein Ansatz ware, Untersuchungen von Flugschriften vorzunehmen, die mit Rucksicht auf die grosse Nachfrage mehrmals gedruckt wurden, wie etwa die Neuigkeitsberichte Leonhard Heusslers. Im Vergleich zu Flugschriften aus der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts wurden diese neueren Schriften von der bisherigen Forschung wenig zur Kenntnis genommen. Von Interesse ware zum Beispiel die Analyse der Verteilung von Relativsat-zeinleitungen in Neuigkeitsberichten. Im 16. Jahrhundert konkurrieren so und welcher mit dem Relativpronomen der. Wenn man die Auftrittshaufigkeit der drei Relativsatzeinleitungen versuchsweise in einer Flugschrift von Leonhard Heussler "Turckische grosse Niderlag" (1579) untersucht, erhalt man das folgende Ergebnis: der wird sechsmal verwendet (19.35%), so achtmal (25.81%), welcher 14mal (45.16%), sonstige dreimal (9.68%). Das Ergebnis zeigt eine andere Tendenz als das meiner bisherigen Analyse uber die Verteilung von Relativsatzeinleitungen in drei Textgruppen aus dem Nurnberg der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts: Kanzleitexte, Privattexte von Mannern aus Patrizierfamilien (drei Studenten und ein Kaufmann), Privattexte von Frauen aus Patrizierfamilien (Hausfrauen). In jeder Textgruppe kommt der am haufigsten zur Verwendung: Kanzleitexte 36.32%, Texte von Mannern 42.83%, von Frauen 42.06%. Es erschiene mir daher sinnvoll, vor allem die Auftrittshaufigkeit von welcher in anderen Neuigkeitsberichten von Leonhard Heussler zu untersuchen. Denn in Dal (1966) ist darauf hingewiesen, dass welcher bei Goethe und Schiller haufig belegt wird und diese Relativsatzeinleitung im 19. Jahrhundert "eine Zeitlang beinahe der aus der Schriftsprache verdrangt" hatte.
著者
新田 春夫
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.76-91, 2010-03-25

In der fruhen Neuzeit sind Schriften u.a. durch die Herstellung billigen Papiers, durch die Erfindung der Druckkunst und durch die sich allmahlich verbreitende Alphabetisierung der allgemeinen Leute einem weit grosseren Kreise als im Mittelaiter zuganglich geworden. In der Reformationszeit wurden daher Schriften v.a. in Form von Flugschriften von den Autoren der Protestanten und der Katholiken wirkungsvoll eingesetzt, um allgemeine Leute fur ihr eigenes Lager zu gewinnen. In der vorliegenden Arbeit werden die bekehrenden Schriften der Reformationszeit unter dem Gesichtspunkt der Soziopragmatik analysiert. Von den 9 Textsorten, die Reichmann/Wegera (1988) unter dem Gesichtspunkt der Intention des Textherstellers aufgestellt haben, werden im Zusammenhang mit der Reformationsbewegung die Textsorten von legitimierenden, belehrenden und agitierenden Texten berucksichtigt, weil es hier um die Intention des Bekehrens der allgemeinen Leute geht. Zu den legitimierenden Texten gehoren theologische Schriften und Streitschriften. Als belehrende Texte sind Dialoge, Narrenliteratur und Fabel zu nennen. Zu den agitierenden Texten sind Sendbriefe zu zahlen. Als Materialien werden die folgenden Texte herangezogen: Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation (1520), Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520), An den Bock zu Leipzig (1521); Hieronymus Emser: An den Stier zu Wittenberg (1521), Quadruplica auf Luhters jungst getane Antwort (1521); Thomas Murner: An den grossmachtigsten und durchleuchtigsten Adel deutscher Nation (1520), Von dem grossen Lutherischen Narren (1522); Hans Sachs: Die wittenbergisch Nachtigall (1523); anonymer Autor: Karsthans (1521). Zunachst werden diese Texte im Hinblick auf ihre inhaltlichen und sprachlichen Charakteristika untersucht. Dabei sind als Ergebnisse v.a. festzuhalten: 1) In Karsthans tritt der katholische Theologe Thomas Murner auf und druckt sich autoritar mit lateinischen Zitaten aus, aber der Bauer Karsthans lasst sich dadurch nicht einschuchtern. Das ist als Zeichen zu verstehen, dass Latein seine Autoritat einzubussen anfangt. 2) An manchen Stellen in Karsthans kann man ersehen, dass es Bauern gab, die lesen konnten, oder dass sie durch Vorlesenlassen der Schriften vieles lernen konnten. 3) In den Streitschriften schimpfen sowohl die Protestanten als auch die Katholiken grob aufeinander, indem sie ihre Kontrahenten als Tier bezeichnen oder ihre Namen verdrehen. 4) Syntaktisch gesehen sind die Texte der protestantischen Autoren einfacher und klarer strukturiert, um auch von den allgemeinen Leuten verstanden zu werden, wahrend die katholischen Autoren kompliziertere Satze bildeten, weil sie nicht daran dachten, die allgemeinen Leute aufzuklaren. 5) Sowohl die protestantischen als auch die katholischen Autoren gaben sich Muhe, eindrucksvolle Texte zu gestalten, indem sie verschiedene rhetorische Stilmittel wirkungsvoll verwendeten. Als nachstes werden die Schriften nach den Textsorten analysiert. Als Ergebnisse sind u.a. anzugeben: 1) In den theologischen Schriften, die zur legitimierenden Textsorte gehoren, behandelt man fachliche Themen, von denen die allgemeinen Leute des protestantischen Lagers durch Vorlesen der Schriften, etwa bei den Versammlungen, gut informiert gewesen zu sein scheinen. 2) In den Streitschriften, die zur legitimierenden Textsorte gehoren, greifen die protestantischen Autoren ihre Kontrahenten vehement und direkt an, wahrend die katholischen Autoren sich eher indirekt und ironisch ausdrucken. Der Unterschied der Einstellungen liegt sehr wohl an ihrer jeweiligen sozialen Stellung. 3) Die Dialoge, die zur belehrenden Textsorte gehoren, sind ausschliesslich von den protestantischen Autoren verfasst, weil es diesen von Belang war, allgemeine Leute mit leichten Texten aufzuklaren, wahrend die Katholiken es eher vermieden. 4) Die Narrenliteratur, die zur belehrenden Textsorte gehort, vermieden die protestantischen Autoren zu schreiben, weil die Narrenliteratur humanistischer Pragung war, und davon ausging, dass die Menschen die Freiheit zum Guten und Bosen haben und Gott durch Vernunft erkennen konnen. Luther aber war ganz entgegengesetzter Meinung. 5) Fabeln wurden von den protestantischen Autoren wie Hans Sachs geschrieben, um die allgemeinen Leute aufzuklaren, weil man mit den Fabeln sehr anschaulich die Missstande des Papsttums vorfuhren konnte. 6) Wenn man die zur agitierenden Textsorte gehorenden Sendbriefe von Luther und Murner vergleicht, lasst sich feststellen, dass Luther zwar sich an den Kaiser und die deutschen Fursten wendet, aber in dem Hauptteil des Briefes nicht nur an sie, sondern auch an die allgemeinen Leser appelliert und sie dazu bewegen will, die Missstande des Papsttums zu beseitigen. Im Unterschied dazu wendet sich Murner ebenfalls an den Kaiser und die deutschen Adligen, fordert sie aber auf, die christliche Welt vor den Aufstandigen zu schutzen, wobei aber an die allgemeinen Leser als Adressaten nicht gedacht wird.
著者
岩本 剛
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.130, pp.47-66, 2006-10-30

Benjamins Massenkritik in der Baudelaire-Studie gehort zu seiner Erfahrungstheorie, die seit Ende der 1920er-Jahre, wenn auch weniger systematisch als fragmentarisch, entwickelt wurde und deren Sammlung das Passagen-Werk. (1927-1940) werden sollte. Entscheidend fur Benjamins Erfahrungstheorie, die versucht, in soziologischer und geschichtsphilosophischer Perspektive den strukturellen Erfarungswandel der Moderne und dessen gesellschaftliche Bedingungen zu beschreiben, sind die Einsichten uber "Erfahrungsarmut". Nach Benjamins Diagnose, die sich explizit auf Freuds psychoanalytische Hypothesen in Jenseits des Lustprinzips (1920) beruft, liegt die "Erfahrungsarmut" der Moderne vorwiegend an der Dominanz des traumahaften "Chockerlebnisses", ein Schock, dessen Hauptursache im Konflikt von Individuum und Kollektiv im groβstadtischen gesteigerten "Nervenleben" (G. Simmel) zu finden ist. Die Erfahrung der Masse, die bei Benjamin vor allem mit einem gescharften Bewusstsein uber die Krisis der burgerlichen Intelligenz gekoppelt ist, wird als strukturelles Element der Erfahrbarkeit der Moderne hingenommen. Benjamins Erfahrungstheorie vollzieht die Analyse der gesellschaftlichen Erfahrung, der der "Mann der Menge" gegenubersteht, an einem Prufstein, in den die Hauptfrage seiner Massenkritik gemeiβelt ist: Ob und wie kann ein Individuum als "Mann der Menge" angesichts der Auflosung seiner sozialen Subjektivitat in der Erfahrung der Masse das eigene soziale Subjekt rekonstruierend zuruckgewinnen und sich in der Gesellschaft re-orientieren? Adornos massive Kritik gegen den ersten Baudelaire-Aufsatz Das Paris des Second Empire bei Baudelaire (1938) sowie dessen Umarbeitung zum zweiten Aufsatz Uber einige Motive bei Baudelaire (1939) haben Benjamin Anlass gegeben, das Bild des Flaneurs als Archetyp des "Muβiggangers" grundlich zu revidieren und im Zusammenhang der Erfahrung der Masse erneut zu konzipieren. In einer Notiz aus der Baudelaire-Studic steht: "Baudelaires Phantasie umspielt den Muβigganger. Er macht ihn zu einer Metamorphose des Heros. So setzt er ihn als Staffage in sein Fresko der Modernitat hinein"-der Flaneur als "Muβigganger" soll inmitten und anhand der Erfahrung der Masse eine heroische Metamorphose zum neuen sozialen Subjekt in der kommenden Gesellschaft erleben. Doch diese Phantasie ist nicht so sehr Baudelaires, als vielmehr Benjamins, der mit Poe eine "planvoll entstellende Phantasie" teilt; Benjamins "Baudelaire" stellt uberdies nichts Anderes als ein durch die Oepration der burgerlichen Uberlieferung strategisch konstruiertes Bild des Dichters dar. Hier lassen sich zwei parallel laufende Entwurfe in der Baudelaire-Studie beobachten: 1) Poes Erzahlung The Man of the Crowd (1840) interpretiert Benjamin als fruheste Schilderung des Flaneurs, die bereits die Figur seines Endes enthalte und aus der Benjamin kraft einer "planvoll entstellenden Phantasie" den gesamten Geschichtsverlauf der Figur des Flaneurs umreiβt; 2) diesen gesamten Geschichtsverlauf des Flaneurs laβt Benjamin seinen "Baudelaire" als Medium (im Sinne der Testperson) verfolgen, um eine politische Biographic des Flaneurs in der Zeit der Massendemokratie zu simulieren und die Authentizitat des oben genannten phantastischen Szenarios von der heroischen sozialen Verwandlung des Flaneurs zu uberprufen. Der Typ des Flaneurs ist es, der sich als "Ubergangsphanomen" (G. Raulet) an der Schwelle von Individuum und Kollektiv generiert. An dieser Schwelle treten, so Benjamins Beobachtung, die "Passagen" in Erscheinung, eine transitorische Mittelwelt, in der der Flaneur zu Hause ist. Diese Mittelwelt muss nicht nur im raumlichen sondern auch im zeitlichen Sinne verstanden werden: Sie ist namlich 1) die Mitte zwischen dem Interieur des burgerlichen Individuums als "Etui-Menschen" und der Straβe der unheimlichen amorphen Masse und 2) die zwischen der gegenwartigen Gesellschaft, wo ein starrer Konflikt von Individuum und Kollektiv herrscht, und der zukunftigen, die die Geburt des neuen sozialen Subjekts durch eine asthetisch vermittelte Durchdringung von Individuum und Kollektiv erwartet. In dieser Mittelwelt fuhrt nach Benjamins phantastischem Szenario der Flaneur einen Zweifrontenkampf aus: Der Flaneur durchbricht die Innerlichkeit als sozial bedingte Schranke der burgerlichen Subjektivitat und wiederum die verfuhrende wie trugende Vision, in eine "kompakte Masse" als monstroser Automat eingesaugt und im Rausch sich verlierend mit dieser vereinigt zu werden. Dieser Kampf als politische Aufgabe des Flaneurs soll erst damit enden, dass die "Passagen" mit der Durchdringung von Individuum und Kollektiv implodieren. In den "Passagen" kontemplativ zu verharren, wirkt, wie man anhand der Beobachtung Benjamins schon antizipieren kann, fur den Flaneur letztendlich fatal. Schon bei der Umarbeitung des Baudelaire-Aufsatzes war Benjamin die politische Aktualitat seiner Massenkritik bewusst. Doch anders als Adorno, der sie ausschlieβlich im Kontext der aktuellen politischen Situation unter dem Faschismus messen wollte, legte Benjamin sie in erster Linie an die politischen Erfahrungen der deklassierten wie depossessierten Intellektuellen seit den fruheren 1920er-Jahren an; die Masse hat das Bildungsburgertum, dem auch Benjamin angehorte, seines intellektuellen Fuhrungsanspruches enthoben und die Frage nach dem Selbstverstandnis des Intellektuellen provoziert. Anlaβlich der gescheiterten Habilitation sowie der Hinwendung zum literarischen Journalismus hat Benjamin seine vorherige Kritik gegen die burgerliche Gesellschaft politisch radikalisiert, so dass die Frage der burgerlichen Intellektuellen nach der Neudefinition der gesellschaftlichen Position und ihrer politischen Funktion immer brennender wurde. In einem derartigen Kontext wird Benjamins Massenkritik in der Baudelaire-Studie. als Demonstration einer doppelten Lekture interpretiert: Benjamin liest Baudelaire, wodurch er das Bild "Baudelaire", das zugleich sein Ebenbild darstellt, zusammensetzt; im Bild "Baudelaire" als Reflexionsmedium liest Benjamin als uberzeugter politischer Flaneur, in gewissem Sinne seinen "Baudelaire" zum Vorwand nehmend, die eigenen politischen Erfahrungen. Kurzum: Benjamins Massenkritik ist Dokument der eigenen politischen Bewusstwerdung und deren Selbstanalyse. Benjamins Massenkritik entwickelt sich vor allem in asthetischer Dimension, was ihn dem hektischen politischen Engagement der Intellektuellen entfremdet hat. Im Gegensatz zum Aktivismus der burgerlichen Linken beschrankt Benjamin sein Denken auf die "Politisierung des Asthetischen", um einen asthetischen Zugriff auf das Phanomen der Masse zu finden. Diese wird ihrerseits als latenter Zustand der groβstadtischen Gesellschaft in der Ubergangsepoche zu einer neuen Gesellschaftsformation beschrieben, mithin als "Ubergangsphanomen" wie der Typ des Flaneurs selbst. Der "schreibende Revolutionar", mit dem sich Benjamin, so scheint es, identifizieren wollte, macht es sich zur Aufgabe, die Bedingungen der Selbstwahrnehmung der Masse zu analysieren. Diese Selbstwahrnehmung ist Benjamins Ansicht nach ein asthetisch vermittelter politischer Vorgang, der von der Frage motiviert ist, in welcher Gestalt die Masse ihren adaquaten Ausdruck finden konne. Die Aufgabe des Flaneurs in der Mittelwelt ist, wie es etwa im Surrealismus-Essay (1929) heiβt, die Erzeugung des "Bildraums", in dem sich die asthetische Durchdringung von Individuum und Kollektiv ereignen soil; dieser ist, mit anderen Worten, eine vorwegnehmende asthetische Konstruktion der "kollektiven Physis", die zur Realisierung in der kommenden Gesellschaft die Gestalt des neuen sozialen Subjekts des Flaneurs benotigt. Was Benjamin aus dem simulierten Geschichtsverlauf des Flaneurs, der von jenem phantastischen Szenario seiner heroischen sozialen Verwandlung immer mehr abweichen wird, herausliest, ist jedoch die Totgeburt der "kollektiven Physis". Der Flaneur, der einmal aus dem kontemplativen Bannkreis in der Mittelwelt in die Straβe hinaustritt, wird, wie die Figur seines Endes in Poes Erzahlung schon andeutet, umgehend in eine "in sich bewegte, in sich beseelte Menge" widerstandslos eingesaugt und dann mit einer "kompakten Masse" als monstroser Automat vereinigt. Hiermit ist die heroische Metamorphose des "Muβiggangers" zum neuen sozialen Subjekt der Moderne definitiv gescheitert. Angesichts dieser Tatsache zieht sich Benjamin nun als gescheiterter "schreibender Revolutionar" mit seinem "Baudelaire" zusammen auf die Position in der kontemplativen Mittelwelt, namlich in seinem Passagen-Werk, zuruck.
著者
亀井 一
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.104, pp.112-121, 2000-03-15

Jean Paul versucht im 31. Kapitel seiner〓Vorschule der Asthetik〓, seinen Begriff des Humors aus dem des Komischen abzuleiten. Es gelang aber noch nicht, diese durch einige stillschweigende Voraussetzungen bedingten Selbstauslegungen des humoristischen Schriftstellers genau zu interpretieren. An der Verstandnisschwierigkeit des Textes sind auch die Umstande in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts schuld, namlich daB der realistische Humor eben nicht im Sinne von Jean Pauls subjektivem Humor orientiert war. Nicht zuletzt spielt eine miBratene Konjektur zu dieser Stelle in der 1935 von E. Berend herausgegebenen historisch-kritischen Ausgabe eine Rolle. Im vorliegenden Aufsatz wird Jean Pauls Begriff des Humors anhand des Textes der ersten Auflage der〓Vorschule der Asthetik〓(1804)rekonstruiert. Der Humor ist nach Jean Paul〓das romantische Komische〓, das erst dann entsteht, wenn sich das Komische auf die Unendlichkeit bezieht. Das Komische begrunder er im 28. Kapitel auf die Sicht eines Dritten, wodurch die ernste Anstrengung als Unsinn aufgedeckt wird. Diese Betrachtung wird nun auf die Bestimmung des Humors angewandt. Beim Humor werden also die vergeblichen Bemuhungen der Menschen, im Endlichen das Unendliche zu realisieren, unter einem ubermenschlichen Aspekt gezeigt. Dabei handelt es sich um zwei unerlaBliche Bedingungen. Erstens ist in der humoristischen Beziehung zwischen Endlichem und Unendlichem nur das Endliche komisch. Das Unendliche muB auf alle Falle heilig sein, damit der Humor nicht in eine Gottesleugnung ausartet. Zweitens kann das Endliche vom menschlichen Verstand klar erkannt werden, das Unendliche ist indessen nur vage zu ahnen. Um diese Bedingungen zu erfullen, wird der undeutliche Begriff〓Kontrast〓eingefuhrt, der das Verstandnis fur den Text schwer macht. Unter diesem Begriff meint Jean Paul, daB dem humoristischen Subjekt nicht das Unendliche selbst unmittelbar unter die Augen tritt, sondern nur die gegen das unsichtbare Unendliche abgehobene Endlichkeit. Man betrachtet das Endliche als Unsinn und Nichts zwar aus dem Standpunkt des Unendlichen, aber diese Perspektive aus dem Unendlichen ist dabei nur subjektiv erahnt. In diesem Zusammenhang werden einerseits in den humoristischen Erzahlungen ausschlieBlich die hiesige winzige Welt und die unzulanglichen Tatigkeiten der Menschheit dargestellt. Andererseits erklart sich auch damit die〓Selbstparodie〓, die von der bisherigen Forschung immer wieder erwahnt wurde. Das humoristische Subjekt inszeniert sich selbst komisch, aber eigentlich in dem Sinn, daB ihm selbst seine eigene Endlichkeit auch im〓Kontrast〓mit dem Unendlichen bewuBt wird. Die weitschweifigen, aber manchmal fast inhaltslosen Reden der humoristischen Personen und Erzahler weisen also als Selbstdarstellung ihres endlichen Daseins ex negativo auf das Unendliche hin. Der Humor ist, wie Jean Paul sagt, 〓das umgekehrte Erhabene〓. Wahrend das Endliche beim Humor eindeutig vom Unendlichen ausgeschlossen ist, kann es beim Erhabenen in seinem Sinne als〓Zeichen〓fur das Unendliche einstehen. Wie sich das Endliche zeigt, hangt von der subjektiven Perspektive ab. Dem humoristischen Weltbild liegt aber die erhabene Ahnung als verstecktes Moment zugrunde. Denn der〓Kontrast〓kann nicht ohne irgendeine Erkenntnis des Unendlichen zu BewuBtsein gebracht werden. Insofern erkennt Jean Paul den menschlichen〓Instinkt〓zum Unendlichen an. Wenn er diese esoterische Erkenntnisfahigkeit betont, bezieht sich das Endliche als Erhabenes auf die Unendlichkeit. Im gesamten asthetischen Projekt Jean Pauls sind die beiden Aspekte Humor und Erhabenes verflochten.
著者
吉用 宣二
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.101, pp.117-126, 1998-10-15

Peter Handkes Serbien-Reiseberichte "Eine winterliche Reise" und "Sommerlicher Nachtrag" haben als eine Verteidigung Serbiens starke Polemiken hervorgerufen, was paradoxerweise die groBe Bedeutung des Schriftstellers in der BRD bezeugt. Ich mochte hier die Serbien-Berichte im Zusammenhang mit seiner Literatur unter dem Gesichtspunkt der Bildllichkeit lesen. Seit der Erzahlung "Langsame Heimkehr" ist uber Handkes Wende zum Transzendentalen gesprochen worden. Bis zum Roman "Mein Jahr in der Niemandsbucht" konnen wir bei seiner Beschreibung der alltaglichen Lebenswelt die Bilder der Versohnung von Ich und Welt lesen. Aber diese Wende besteht eher in der Entdeckung des Konkreten in der lebensnahen Alltagswelt und dessen reiner Beschreibung. Diese Verwandlung kommt aus der Erkenntnis der Unmoglichkeit des Erzahlens, das oft zur "Erzahlerei" verdirbt oder nur aus einem "Erzahlzwang" entsteht. Die ruhige Welt von "Mein Jahr in der Niemandsbucht" und das polemische Serbienbuch teilen diese Erkenntnis. Das letztere ist eine Kritik der Medien, die die Geschichte des bosen Serbien unreflektiert wiederholen. In den Serbien-Berichten handelt es sich um die Reflexion der Bilder. Handkes Wende heiBt, die fertig vorliegenden Bilder auszuklammern und das Konkrete, Gegenwartige in der minimal-privaten Lebenswelt zu entdecken und aus dem eigenen Inneren neue Bilder zur Darstellung zu konstruieren. Dabei sieht Handke die Natur nicht als ein Objekt der Beherrschung, die die europaische Moderne kennzeichnet, sondern sieht sich selbst als einen Teil der Welt, was die Bilder der Versohnung entstehen laBt. Die Serbienreise, die Serbien so erfahren will, wie es ist, ist eine Konsequenz seiner Literatur. Der Krieg in der Gegenwart ist auch ein Bilder-Krieg, wie der Golf-Krieg in Nahost "Nintendo-Krieg" genannt wurde. Die Opfer des Kriegs werden nach dem Muster des Opferbildes gezeigt und sie selbst stellen ihr Leiden dar, indem sie das Opferbild wiederholen. Also geht es um die Kritik der omniprasenten Bilder, und zwar der immergleichen, die Handke meint, wenn er uber "Bilderverlust" oder "Bilderstarre" spricht. Handke, der die stereotypen Bilder ablehnt, stellt auch bei der Serbienreise ein stereotyp scheinendes Bild uber "eine ursprungliche und volkstumliche Handelslust" dar. Aber das Bild von dem Totenschadel mit den Blumen befremdet ihn. Seine beharrliche Intention zum Konkreten ist, literaturgeschichtlich gesehen, eine Reaktion der Literatur gegen die postmoderne, digitale Kultur, in der nicht die Sache, sondern deren Bild, ein Kurzel von einem Bild, vorherrscht. Aber ist das Wirkliche, worauf Handke sich berufen will, nicht auch Fiktion? Handkes Kraft liegt in seiner Selbstreflexion, die das Bild-Denken erschuttert und dessen Grenze erkennen will. Gegen das Abweisen der Bilder, das der Krieg bedeutet, stellt Handke die Arabeske der Miniaturen-Bilder. Der Ausdruck "Krieg >Krieg<" bei dem Massakerort Srebrenica bedeutet "Ding an sich", vor dem jedes Bild versagen muB. Einen Rahmen der Arabeske bildet der FluB Drina, der wahrend der winterlichen Reise als schweigender Gott durch das Gebirgsland flieBt. Was dem Serbienbuch die unvergleichliche Kraft gibt, ist nicht die Medien-Kritik, sondern Handkes "bildsame" Haltung, die sich zum Medium der Sache macht, die immanenten stereotypen Bilder auflost, in das Gegenwartige eindringt. Dadurch gestalten sich neue Bilder aus der Sprachlosigkeit vor der uberwaltigenden Gegenwart des Kriegs.
著者
清水 本裕
出版者
学術雑誌目次速報データベース由来
雑誌
獨逸文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.85, pp.52-63, 1990

Die biographische Forschung sowohl über Friedrich Nietzsche als auch über Lou Andreas-Salomé erkennt allgemein an, daß Nietzsche 1882 ihr vergeblich einen Heiratsantrag machte. Außer Elisabeth Förster-Nietzsche haben das fast alle Biographen geschrieben, etwa D. Halévy, E. F. Podach, I. S. Mackey, H. F. Peters, K. Schlechta, C. P. Janz und M. Montinari. Dagegen behauptet R. Binion in <sub>"</sub>Frau Lou. Nietzsche's Wayward Disciple", daß Nietzsche keinen Heiratsantrag machte.<br>Die meisten Forscher haben Lou Vertrauen geschenkt und ihrem Bericht geglaubt. In <sub>"</sub>Lebensrückblick", der aus ihrem Nachlaß herausgegebenen Autobiographie, schreibt sie: <sub>"</sub>er [Nietzsche] machte Rée zum Fürsprecher bei mir für einen Heiratsantrag". Und weiter: Nietzsche <sub>"</sub>kam aber von dort [Basel] gleich nochmal mit uns in Luzern zusammen, weil ihm nun hinterher Paul Rées römische Fürsprache für ihn ungenügend erschien und er sich persönlich mit mir aussprechen wollte, was dann am Luzerner Löwengarten geschah."<br>Man hat, worauf W. Kaufmann hinwies, Lou erstens darum geglaubt, weil man nicht mehr Elisabeth, die das Gegenteil versicherte, geglaubt hat, nachdem man deren Veränderungen der Dokumente und deren Fälschung der Briefe entdeckt hatte. Zweitens wahrscheinlich darum, weil man in Vorurteilen befangen war, die aus der Kenntnis von Nietzsches überstürztem Heiratsantrag gegenüber Mathilde Trampedach im Jahre 1876 entsprangen. Aber für den Heiratsantrag gegenüber Lou gibt es keinen sachlichen Beweis. Was bringt andererseits Binion an Gegenargumenten vor? Er bringt leider nichts Neues, sondern gräbt nur eine Erinnerung Ida Overbecks aus, die in C. A. Bernoullis <sub>"</sub>Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche" (1908) gedruckt war. Ida berichtete da: <sub>"</sub>Zugleich erzählte er [Nietzsche] in Rom, zu ihr [Lou] gesagt zu haben:, ich würde mich für verpflichtet halten, um Sie vor dem Gerede der Leute zu schützen, Ihnen meine Hand anzutragen, wenn nicht usw. usw.' Er fürchtete, Frl. Salomé könne dies für einen Antrag gehalten haben."<br>Ida Overbecks Erinnerung muß jedoch, auch wenn sie Nietzsches Worte richtig wiedergibt, nicht den wahren Sachverhalt bezüglich des Heiratsantrags treffen. Es kann sein, daß Nietzsche absichtlich zweideutig sprach. Oder, daß er beim Sprechen seine eigenen Gefühle nicht gut verstand. Sicher ist nur die Tatsache, daß er in Rom zu Lou zweideutige Worte äußerte, die für einen Heiratsantrag gehalten werden konnten. Was den angeblichen zweiten Heiratsantrag in Luzern angeht, so gibt es darüber nichts Sicheres.<br>Binion hatte noch einen anderen Grund, die These des Heiratsantrags zu verneinen. Er meinte, daß die Darstellung in <sub>"</sub>Lebensrückblick" und Lous andere Äußerungen nicht glaubwürdig wären, nachdem er ihr Leben und ihre Werke gründlich untersucht hatte. Mir hingegen scheinen zwar auch manche Stellen des <sub>"</sub>Lebensrückblicks" fragwürdig. Vor allem ist der angebliche erste Gruß Nietzsches: <sub>"</sub>Von welchen Sternen sind wir hier einander zugefallen?" sehr unwahrscheinlich. Aber auch wenn Lous ganze Darstellung lügenhaft ist, reicht dies noch lange nicht zum Nachweis dafür, daß Nietzsche Lou keinen Heiratsantrag machte.<br>Es gibt einige weitere Gründe gegen die These des Heiratsantrags. Zum Beispiel wandelte sich Nietzsches Heiratswille in seinem Leben. Auch die Tatsache, daß Lou damals ziemlich leidend war und nicht mehr lange zu leben schien, ist hier anzuführen. Aber auch wenn man viele Indizien-beweise gesammelt hat, darf man nicht entscheiden,