著者
秋山 英夫
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.52, pp.65-74, 1974-03-31 (Released:2008-03-28)

1) Erster Problemkreis: Dichtung und MythosIn der "Geburt der Tragödie“ tadelt Nietzsche die entmythologisierten Dramen des Euripides als Unpoesie. Nach seiner Ansicht soll der Mythos die Grundlage der Kultur bilden. Diese Ansicht schätze ich, weil sie zeigt, daß Kultur vom Kultus stammt. Etymologisch bedeutet "Drama“ (δραν) keine Handlung, sonder "Ereignis“ in hieratischem Sinne. Es ist "ein Hochamt“. Die Schauspiele waren eigentlich Festspiele für die Götter. Auch die Poesie war ursprünglich die magische Schlinge, um die Götter zu zwingen. In seiner zweiten positivistischen Periode betrachtet Nietzsche dies alles einfach als "Aberglauben“. Aber in "Ecce homo“, also in seiner letzten Periode erklärt er seine Inspiration beim Entstehen des "Zarathustra“ mit folgender Einleitung: "Mit dem geringsten Rest von Aberglauben in sich würde man die Vorstellung, bloß Mundstück übermächtiger Gewalten zu sein, kaum abzuweisen wissen.“ Ich glaube, dieser Konjunktiv verrät, was er ist: homo religiosus.2) Zweiter Problemkreis: Dichtung und MoralIn der "Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen“ sagt der junge Nietzsche: "Ein Bauen und Zerstören, ohne jede moralische Zurechnung, in ewig gleicher Unschuld, hat in dieser Welt allein das Spiel des Künstlers und des Kindes.“ In der "Geburt der Tragödie“ zitiert er einen Brief Goethes an Schiller, wo es heißt: "das höchste Pathetische wäre bei den Alten auch nur ästhetisches Spiel gewesen.“ In diesem Erstlingswerk kehrt der Satz mehrfach wieder, daß nur als ästhetisches Phänomen das Dasein der Welt gerechtfertigt ist. Nietzsche nennt sich einen "Immoralisten“, er war ein Ästhet. Die Stelle aber, die betreffs der Immoralität den stärksten Eindruck auf mich gemacht hat, war der folgende Abschnitt aus der "Genealogie der Moral“: "Sie (blonde Bestien) treten in die Unschuld des Raubthier-Gewissens zurück, als frohlockende Ungeheuer, welche vielleicht von einer scheußlichen Abfolge von Mord, Niederbrennung, Schändung, Folterung mit einem Uebermuthe und seelischen Gleichgewichte davongehen, wie als ob nur ein Studentenstreich vollbracht sei, überzeugt davon, daß die Dichter für lange nun wieder etwas zu singen und zu rühmen haben“.3) Dritter Problemkreis: Dichtung und Leben.Nietzsches Philosophie war "Lebensphilosophie“. "Die Geburt der Tragödie“ hat entdeckt, daß der Hellene, um zu leben, aus künstlerischen Trieben die olympische Welt geschaffen hatte. Den zum schwersten Leiden einzig befähigten Hellenen rettet die Kunst, und "durch die Kunst rettet ihn sich-das Leben.“ Für Nietzsche war die Dichtung nun einmal ein Organ, eine Funktion des Lebens. L'art pour l'art ist für ihn "ein Wurm, der sich in den Schwanz beißt.“ Und die Kunst und Literatur unter der Optik des Lebens zu sehen, war sein durchgängiger Standpunkt. "Fröhliche Wissenschaft“ unterscheidet zwei Typen der Dichtung. Während die dionysische Apotheosenkunst im Stile Goethes, aus der Überfülle des Lebens geschaffen, ein Ausdruck von Dank und Liebe für das Leben ist, ist die romantische décadence-Kunst im Stile Wagners, aus der Verarmung des Lebens geschaffen, ein Symtom des niedersteigenden Lebens. "Goethe contra Wagner“ ist eine Formel, die schon in "Menschliches Allzumenschliches“ gefunden wurde.4) Vierter Problemkreis: Dichtung und PublikumAls das
著者
秋山 英夫
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.47, pp.54-63, 1971-10-20 (Released:2008-03-28)

Das Wort "der große Stil“ findet sich schon in Nietzsches Werk "Der Wanderer und sein Schatten“: "Der große Stil entsteht, wenn das Schöne den Sieg über das Ungeheure davonträgt.“ Der große Stil bedeutet hier den Stil der attischen Tragödie, denn in der "Geburt der Tragödie“ heißt es: "Die apollinische Cultur hat immer erst ein Titanenreich zu stürzen und Ungethüme zu tödten und muß durch kräftige Wahnvorstellungen und lustvolle Illusionen über eine schreckliche Tiefe der Weltbetrachtung Sieger geworden sein.“ Nach der Meinung des jungen Nietzsche konnten die Griechen durch die künstlerische Mittelwelt der Olympier ihren Pessimismus überwinden und stärkste Lebenskünstler werden. Nun kann man in Nietzsches Nachlaß der Achtzigerjahre folgende wichtige Erklärung finden: "Unsre Religion, Moral und Philosophie sind décadence-Formen des Menschen. -Die Gegenbewegung: die Kunst.“ Ich finde hier die Parallelität der Sicht zu der in Nietzsches Erstlingswerk.Für Nietzsche war Wagner auch in stilistischer Hinsicht ein typischer décadent gewesen; denn in Wagners Musik wurde das Kleine (Motiv) Herr übers Ganze, und der Dramatiker Wagner war nur ein Szeniker, infolgedessen war Wagners Gesammtkunstwerk nur ein Artefakt. Nietzsche schreibt: "Womit kennzeichnet sich jede litterarische décadence? Damit, daß das Leben nicht mehr im Ganzen wohnt. Das Ganze ist kein Ganzes mehr. Aber das ist das Gleichnis für jeden Stil der décadence: jedes Mal Anarchie der Atome, Disgregation des Willens, -zu einer politischen Theorie erweitert »gleiche Rechte für Alle«“ Das heißt: Wagners großartige demagogische Kunst und sein demokratisches Zeitalter gehören zusammen.In einer der ersten Aufzeichnungen zum "Fall Wagner“ kann man lesen: "Vom großen Stile steht Wagner am fernsten: das Ausschweifende und Heroisch-Prahlerische seiner Kunstmittel steht geradezu im Gegensatz zum großen Stile.“Was versteht Nietzsche denn unter dem "großen Stile“? "Der Wille zur Macht“ antwortet so: "Der große Stil verschmäht, zu gefallen, er befiehlt, er will… Ueber das Chaos Herr werden, das man ist; sein Chaos zwingen, Form zu werden: logisch, einfach, unzweideutig, Mathematik, Gesetz werden-das ist hier die große Ambition.“ (n. 842)-"Der classische Stil stellt wesentlich die Ruhe, Vereinfachung, Abkürzung, Concentration dar, -das höchste Gefühl der Macht ist concentrirt im classischen Typus.“ (n. 799.) -"Der große Stil. Ausdruck des »Willens zur Macht« selbst.“ (n. 341)Der große Stil, in dem das Ganze über die Teile herrscht, ist mit einem Wort der Stil für Gewaltmenschen der "großen Politik.“ Diese Politik sollen die "Herren der Erde“ mit dem harten Prinzip "Zucht und Züchtung“ treiben, um die Erhöhung des menschlichen Niveaus zu erreichen. "Große Politik“ war Nietzsches Traum. Seine Idee des "großen Stils“ war es auch.Schließlich kann man Nietzsches Gedanken im "Willen zur Macht“ so zusammenfassen (teilweise nach Peter Gast's Resümee vom "Fall Wagner“):Aufsteigendes Leben="große Politik“=Herrenmoral=klassische Kunst=großer StilAbsteigendes Leben=Demokratie=Herdenmoral=décadence-Kunst =großartiger Stil
著者
岡部 仁
出版者
学術雑誌目次速報データベース由来
雑誌
獨逸文學 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.87, pp.1-11, 1991

Andreas Gryphius' <sub>"</sub>Catharina von Georgien" ist sein zweites Trauerspiel, das die Form des Märtyrerdramas hat. Königin Catharina wird seit acht Jahren von dem tyrannischen Perserkönig Abbas in Schiraz gefangengehalten. Er verliebt sich in sie, aber die fromme Christin weist seine Werbung ab. In der vierten, Abhandlung' des Dramas versucht der Höfling Imanculi vergeblich, sie-im Auftrag des Königs-zum Abfall von ihrem Glauben zu überreden. Er sagt zur Königin, die ihm als eine Fanatikerin erscheint: <sub>"</sub>Der Perß und Jud und Christ ehrt gleichwol einen Gott".<br>Hier erinnern wir uns nun an ein anderes Drama, dessen Gegenstand die Konfrontation mit dem Fremden ist: an Lessings <sub>"</sub>Nathan der Weise". Dort sollen nach der berühmten, Ringparabel' die Religionen des Christentums, des Judentums und des Islam gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Doch Gryphius wollte mit der Gestalt des Imanculi gewiß keinen persischen, Nathan' schaffen. Der aufklärerische Gedanke religiöser Toleranz war ihm noch fremd. In diesem barocken Trauerspiel liegt die Vorstellung friedlicher Koexistenz der Religionen unter dem einen gemeinsamen Gott denkbar fern. Nicht die Versöhnung des Eigenen mit dem Fremden soll demonstriert werden, sondern die katastrophale Zuspitzung ihres Gegensatzes. In diesem Sinn ist der <sub>"</sub>Nathan" das genaue Gegenstück zum barocken Märtyrerdrama.<br>In der <sub>"</sub>Hamburgischen Dramaturgie" verwirft denn auch Lessing den Versuch seines Zeitgenossen Cronegk, nach einer Episode in Tassos <sub>"</sub>Das entfesselte Jerusalem" sein Märtyrerdrama <sub>"</sub>Orint und Sophronia" abzufassen. Tasso sei, so heißt es dort, <sub>"</sub>simpel, natürlich, wahr und menschlich", Cronegk dagegen <sub>"</sub>verwickelt, romanenhaft, wunderbar und himmlisch".<br>Damit ist, so könnten wir sagen, nicht nur die Gegensätzlichkeit zweier Stilarten charakterisiert, sondern ein fundamentaler Unterschied zwischen Lessing sowie der Klassik und der Barockliteratur überhaupt. Max Kommerell behauptet in seinem Werk <sub>"</sub>Lessing und Aristoteles", daß der <sub>"</sub>Begriff des barocken Stils" <sub>"</sub>der eigentliche, ungenannte Gegner" von Lessing sei. In der Tat zielt Lessings Kritik auch auf Corneilles <sub>"</sub>Polyeucte", jenes berühmte französische Märtyrerdrama des 17. Jahrhunderts. Dabei fordert er von dem Dramatiker, der ein <sub>"</sub>wahres" christliches Trauerspiel schreiben wollte, er solle sowohl in der Kunst als auch im Glauben wie Tasso <sub>"</sub>natürlich, wahr und menschlich" sein. Demnach wäre sein später entstandener <sub>"</sub>Nathan" ein <sub>"</sub>wahres" christliches Drama. Aber das konnte kein Trauerspiel mehr sein, eben weil sein Hauptthema die Versöhnung von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit ist.<br>Während in Lessings Drama das Eigene und das Fremde sozusagen horizontal nebeneinander auf der menschlichen Ebene koexistieren sollen, ist im barocken Trauerspiel alles vertikal ausgerichtet: sich dem fremden Glauben radikal verweigernd, strebt der Held gleichsam in die Höhe. Indem er untergeht, findet seine Seele Erlösung. In Gryphius' Märtyrerdrama ist diese Struktur am klarsten zu erkennen, weil sich hier der auf keine Weise überbrückbare Gegensatz von Eigen und Fremd am schärfsten ausprägt.<br>Für Catharina bedeutet das, fremde Land' natürlich zunächst Persien, wo sie gefangengehalten wird und, da sie der Werbung des Schachs und den Bekehrungsversuchen widersteht, schließlich den Martertod stirbt. Zugleich aber ist jenes fremde Land nichts anderes als diese Welt; denn <sub>"</sub>diß Threnenthal"
著者
野村 修
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.42, pp.47-56, 1969

Meine obige Abhandlung will folgendes nachweisen:<br>Ich sehe im <sub>"</sub>Gesang des Soldaten der roten Armee" nicht <sub>"</sub>Abscheu", wie ihn Martin Esslin (1962 S. 216) sehen wollte, sondern lebhaftes Mitgefühl, das der zwanzigjährige Brecht mit den bayerischen Revolutionären hatte. In dem <sub>"</sub>wir" des Liedes nahm er, mitten zwischen der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit der damaligen Situation, einfühlend selber ihre Stellung. Nach der Niederlage kam er, immer noch mit <sub>"</sub>unseren" Augen, <sub>"</sub>grinsend in euer Paradeis". Baal in der zweiten Fassung (entstanden in April/Mai 1919) blieb noch eine sozusagen vorrevolutionäre Existenz, verkörperte aber jetzt, konsequenter als in der ersten Fassung, eine sich von Anfang an nicht mit <sub>"</sub>euch" versöhnende Gesinnung. <sub>"</sub>Wir" selbst hatten jedoch Mimikry dringend nötig, um in <sub>"</sub>eurem Paradeis" wohnen zu können; und die Mimikry mußte in dieser Sachlage die Problematik haben, daß sie eine Notwendigkeit und zugleich eine Gefahr ist-die Gefahr, ein Leben in Mimikry mit dem eigentlichen Leben zu verwechseln. Dann könnte man leicht zu einem <sub>"</sub>Esel" werden, <sub>"</sub>der gewillt ist, als Schwein weiterzuleben", also zu Galgei: dem Nachfolger von Kragler und dem Vorgänger von Garga, Galy Gay und <sub>"</sub>den Städtebewohnern". Brecht war sich wohl dieser Problematik schon ziemlich bewußt, als er Kragler, den Held in <sub>"</sub>Trommeln in der Nacht", in Februar/März 1919 schuf.<br>Man kann daher über Brecht in den zwanziger Jahren nicht sagen: <sub>"</sub>Dies Revolutionszwischenspiel war bald vergessen" (Esslin S. 24). Alle seine Werke behandelten damals <sub>"</sub>unsere" Problemetik in <sub>"</sub>eurem Paradeis", indem sie die Gesten der dort Wohnenden hervorhoben. Hans Mayer hat trefflich bemerkt: <sub>"</sub>Die geistige Welt des jungen Brecht wird nicht durch die großen literarischen und politischen Strömungen der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre geprägt, sondern durch Augsburg und die Umwelt der Provinz" (1961 S. 26). Ich möchte aber zu dieser Formulierung ein Wort hinzufügen. Brechts Augsburg war auch dasselbe, das einmal mit München mitten in der Revolution gestanden hatte. Das konnte zwar eine <sub>"</sub>Provinz" sein, doch eine Provinz besonderer Art, verglichen mit jenen Metropolen, wo das System <sub>"</sub>unsere" Erinnerung unaufhaltsam verwittern sollte.
著者
田中 宏幸
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.31, pp.142-150, 1963 (Released:2009-01-30)

Im Deutschen gibt es ziemlich zahlreiche Konsonantenverbindungen, während solche im Japanischen sehr selten sind. Deshalb scheint es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch sehr fruchtbar, deren Typen und Regeln zu untersuchen. An Hand des Duden (Bd. 1, 141958) und Siebs (181961) habe ich hier versucht, einen Abriß mitzuteilen.Im Anlaut des Wortes gibt es etwa 25 zweigliedrige (meistens Geräusch-+Sonorlaut) und nur 3 dreigliedrige Verbindungen (/šp/ špr štr/). Im Auslaut erscheinen über 50 zweigliedrige (meistens Sonor-+Geräuschlaut), etwa 60 dreigliedrige (/KKs, KKt/-Typus) und 25 viergliedriee Verbindungen (/KKst/-Typus). Der stimmhafte Geräuschlaut erscheint im Auslaut weder einzeln noch gruppenweise. Der Inlaut-Typus ist gewöhnlich dem Auslaut-Typus gleich (z.B /lp, rt/) oder ähnlich (z.B. /lb, rd/). Bei dem anderen Typus, der aus dem ersten Quasi-Auslaut-Typus und einem Sonorlaut besteht (z.B. /fn, tm, rtn, ndl/), ist die Silbengrenze vor dem Sonorlaut eindeutig zu finden. Bei den übrigen ist die Silbentrennung aus dem phonotaktischen Gesichtspunkt manchmal etwas willkürlicher.
著者
川島 隆
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.148, pp.105-119, 2014-03-25

Nach der Dreifachkatastrophe in Japan im Marz 2011 herrschte vor allem unter den Japanologen und Japankennern in Deutschland Emporung uber die "Panik" und "Hysterie" auslosende Berichterstattung der deutschen Massenmedien, die sich grosstenteils auf die Atomunfalle in Fukushima und die Verbreitung der radioaktiven Strahlung konzentrierte und die Not der vom Erdbeben und Tsunami Betroffenen (vermeintlich) wenig beachtete. Auch das Bild der Japaner in den Medien, die angesichts der fatalen Katastrophe uberraschenderweise eine fast unheimliche "Rube" und "Gelassenheit" gezeigt und damit sich erneut als ein Volk der "Disziplin" und "Gehorsamkeit" erwiesen hatten, wurde als stereotype Vorstellung heftig kritisiert. Als Ausdruck dieser Unzufriedenheit mit den medial vemlittelten Erfahrungen der Katastrophe entstanden dann eine Reihe von Reportagen und Reiseberichten, die das "entstellte" Japanbild korrigieren sollten, indem sie die "authentischen" Erfahrungen von Autoren, die zur Zeit der Katastrophe (oder kurz danach) in Japan gewesen waren, zur Geltung brachten. Insofern waren diese Werke als Versuche, die unterreprasentierten Opfer der Katastrophe als Subalteme im Sinne Spivaks zu rehabilitieren und zum Wort kommen zu lassen, zu bezeichnen. Diese Versuche verliefen aber keineswegs unproblematisch, denn die Reportage als literarisches Genre ist-trotz ihres "realitatsnahen" Charakters-auch eine Form der medialen Reprasentation, bei der das Erzahlte entscheidend durch die jeweilige Perspektive des Erzahlers gepragt wird. Die Reportagen uber Japan im Schatten von "Fukushima" zeigten ohnehin im Grossen und Ganzen eine merkwurdig apologetische Tendenz: Staff nuchtern und sachlich mit dem Thema umzugehen, neigten die Japan-Experten eher dazu, die "Ruhe" und das "disziplinierte" Verhalten der Japaner samt der beruhigenden Informationspolitik der japanischen Regierung und des AKW-Betreibers Tepco und die unkritische Berichterstattung der japanischen Massenmedien unbedingt in Schutz zu nehmen, insofern man die Japaner zu einem einheitlichen, heroisch-duldsamen Volk stilisierte-wobei das klischeehafte Vorurteil uber Japan und die Japaner nicht zuruckgewiesen, sondern positiv umgedeutet und sogar verstarkt wurde.
著者
浜川 祥枝
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.62, pp.47-56, 1979-03-31 (Released:2009-01-30)
参考文献数
18

Trotz Affären etwa mit der Lorenzin oder Frau Reiske war Lessing kein Mensch von erotischer Natur. Ein Buch mit dem Titel “Frauen um Lessing” wäre kaum denkbar. Trotzdem oder eben deshalb hat eine Frau für seine späteren Jahre eine große Rolle gespielt, was allgemein bekannt und fast in allen Lessing-Biographien erwähnt ist. Da in Japan aber nur Ogai Mori in seinem kleinen Aufsatz “Einiges über Lessing” von dieser Frau berichtet hat, so seien ihr im folgenden ein paar gedenkende Worte gewidmet.Eva Catharina Hahn wurde am 22. März 1736 in Heidelberg geboren. Ihr Vater, der kurz darauf gestorben sein muß, war Kaufmann. Sie hatte wenigstens drei Brüder. Seit 1756 mit Engelbert König, Seidenhändler und Tapetenfabrikant in Hamburg, verheiratet, führte sie ein glückliches Eheleben-bis Ende 1769, als ihr Mann auf einer Geschäftsreise in Venedig ganz unerwartet starb. Eva hatte ihm sieben Kinder geschenkt, von denen drei im zarten Alter gestorben waren, und was ihr jetzt hinterlassen wurde, waren vier Kinder, das älteste 12, das jüngste 1 Jahr alt, und sehr komplizierte finanzielle Verhältnisse, weil König all sein Geld in Fabriken in Wien investiert hatte.Nach der Familienüberlieferung soll König bei seiner Abreise Lessing, der bald nach seiner Ankunft in Hamburg 1767 ein gern gesehener Gast bei ihm war und König einmal in einem Brief “seinen speziellen Freund” genannt hatte, gesagt haben: “Wenn mir etwas Menschliches begegnen sollte, so nehmen Sie sich meiner Frau und Kinder an”, was Lessing dann gern und aufrichtig tat.Wann Lessing in sich ein zärtliches Gefühl für Eva König zu spüren begann, weiß man nicht. Als er aber im September 1771 aus Wolfenbüttel nach Hamburg kam, konnte er von ihr ein Jawort bekommen, indem er den Augenblick ergriff, “wo sie schwach genug war, eine Neigung zu gestehen, die sie zu verbergen so fest beschlossen hatte; wenigstens so lange, bis ihre Umstände eine glückliche Wendung nähmen.” Die Verlobung war übrigens lange ein strenges Geheimnis; daher das von vornherein zum Mißerfolg verurteilte Bestreben der im August 1774 verwitweten Frau Reiske, Lessings Lebensgefährtin zu werden. Da nun keiner von beiden, weder Lessing noch Eva König, das Schicksal des anderen mit dem eigenen verflechten, und jeder, wenn überhaupt, dann lieber allein unglücklich sein wollte, hatten sie bis Oktober 1776 zu warten, um sich verehelicht zu sehen. Aber dank dieser langen Wartezeit haben wir jetzt einen Briefwechsel, der “eines der schönsten menschlichen Dokumente” genannt zu werden verdient, ob man gleich zugeben mag, daß “diesem Briefwechsel der poetische Zauber fehlt, welcher die Briefe der ihm nachfolgenden großen Dichtergeneration umkleidet.”Daß Eva König als Frau Lessing nach Wolfenbüttel kam, “nur um dort zu sterben” - das sollte man nicht “der zu großen Bedenklichkeit” zur Last legen, welche die beiden daran hinderte, sich früher zu verbinden, denn gerade diese Bedenklichkeit entstammt dem durch und durch uneigennützigen Geist, der für diese beiden Adligen des Geistes charakteristisch ist. Immerhin zähmte das kurze Zusammenleben mit Eva, die “keinen anderen Ehrgeiz kannte als eine glückliche Gattin und Mutter zu sein”, und alle Leute, die sie einmal gekannt hatten - an der Spitze vielleicht den Historiker Spittler - für sich zu gewinnen wußte, “den Löwen” Lessing, wovon es viele Zeugen gibt. So schien sein lange gehegter Wunsch, “es einmal so gut (zu) haben wie andre Menschen”, nun endlich in Erfüllung zu gehen
著者
山崎 太郎
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.138, pp.9-26, 2009-03-25

Sowohl <Der Freischutz> als auch <Die Meistersinger von Nurnberg> hat man seit jeher fur den Inbegriff der deutschen Nationaloper gehalten und miteinander verglichen. Aber wahrend die nationalistischen Elemente der beiden Opern immer wieder hervorgehoben und im Zusammenhang mit der Problematik der Rezeptionsgeschichte diskutiert wurden, sind die textlichen sowie musikalischen Inhalte bislang kaum zum Gegenstand einer vergleichenden Analyse gemacht worden. Das ist eher verwunderlich, denn die Gemeinsamkeit der beiden Stucke fallt sofort auf, wenn man nur die Handlungen miteinander vergleicht.: So findet in beiden Stucken 1. der Handlungsverlauf innerhalb von 24 Stunden statt (1. Aufzug: Nachmittag/fruher Abend, 2. Aufzug: Nacht, 3. Aufzug: nachster Morgen). 2. In beiden Stucken muss der Held einerseits, nach dem Gesetz der Gesellschaft, in 'technischer' Hinsicht seine Meisterschaft beweisen (z.B. durch einen Probeschuss oder einen Wettgesang), um die Geliebte zu heiraten. 3. Es wird abet andererseits dieses Gesetz von einem geehrten Weisen als veraltet und unmenschlich kritisiert. Der Grund, warum diese Parallelitat eher ubersehen worden ist, findet sich vermutlich in der Tatsache, dass im <Freischutz> die Geistererscheinung in der Wolfsschluchtszene den wesentlichen Teil der Handlung ausmacht, wahrend im komodienhaften sowie realistischen Ambiente der <Meistersinger> solche ubernaturlichen Elemente nur schwer vorstellbar sind. Dieser Aufsatz zielt darauf, in der letzten Halfte des zweiten Aufzugs der <Meistersinger>, die vom dramatischen Aufbau her der Wolfsschluchtszene entspricht, zuerst die geisterhaften Elemente zu suchen, um sie auf das Menschliche zuruckzufuhren, d.h., um sie als Projektion eines Gemutszustands zu deuten; im Inneren eines Menschen haust eigentlich der Damon, der die ausserliche Turbulenz in der nachtlichen Gasse verursacht, die innerhalb einer nachtlichen Stunde (von 22 bis 23 Uhr) geschieht, genau wie die Spukerei in der Wolfsschluchtsszene (von 24 bis 1 Uhr). Betont wird das Geisterhafte im zweiten Aufzug der <Meistersinger> textlich durch Worter wie "Gespenster und Spuk", "bose Geister", "Kobold", sowie durch die Situation selbst; es handelt sich hier doch um den Polterabend genauso wie im <Freischutz> und uberdies um die Johannisnacht (d.i. die "Midsummernight" Shakespeares) mit all den Streichen, die ubernaturliche Wesen in dieser Nacht spielen. Sogar die Stadt Nurnberg gleicht in dieser nachtlichen Stunde dem Wald im <Freischutz>, mit den Tannenwipfeln nachgestalteten Giebeldachern, die den Vollmond von der schmalen Gasse abhalten und somit eine Dunkelheit erzeugen, die der mondfinsteren Nacht in der Wolfsschlucht entspricht. In den <Meistersingern> wird jedoch das Geisterhafte auch von einem Menschen manipuliert wie das Benehmen des Protagonisten Hans Sachs zeigt, der das Licht auf seinem Werktisch plotzlich ausloscht, um so eine vollige Finsternis gerade in dem Augenblick zu schaffen, als die Bewohner aus ihren Hausern in die Gasse stromen. Der damonische Eindruck dieses eigentlichen Drahtziehers der Handlung wird durch ein musikalisches Motiv, das sogenannte "Schustermotiv", verstarkt, das "melodisch in seinen Eckpunkten durch ein stachliges Tritonus-Intervall gekennzeichnet wird" (Kurt Overhoff), also durch den "Teufel in der Musik". Dieses Motiv mit seiner derben und dunklen Tonfarbe schildert nicht nur "den sauren Schweiss harter Muhe und Plage" (ebd.), sondern weist mit seinen besonders im 2. Aufzug vielfaltigen Verwendungen wohl darauf hin, wer eigentlich hinter dem ganzen Geschehen steckt. Dieser Hans Sachs namlich, der alles in der Hand zu haben scheint, ist jedoch von einer unbekannten Macht getrieben, wie er selbst am nachsten Morgen sagt: "Ein Mann weiss sich nicht Rat; ein Schuster in seinem Laden, zieht an des Wahnes Faden; wie bald auf Gassen und Strassen fangt der da an zu rasen." Sachs ist also ein vom Wahn Gefangener, der aber am Ende seines Monologs der ausseren Natur die Schuld zuschiebt: "Der Flieder war's." Ist das bloss eine rhetorische Ausrede? Nein. Denn gerade der zauberhafte Duft des Flieders war es, der im zweiten Aufzug seine Erinnerung an die gewaltige Kunst Walthers und somit in seinem Herzen "die susse Not" (d.h. den Eros, den Schopfungstrieb und zugleich die Liebe zu einem Madchen) erweckt hat. In seine Empfindung mischt sich dabei aber die bittere Erkenntnis, dass er in der Kunst sowie in der Liebe dem genialen Jungen unterlegen sei; wer "wahnbetort" versuche, ihm nachzusingen, "dem bracht' es Spott und Schmach." Seine Ahnung bestatigt sich, als Eva ihn zornig verlasst, da er uber Walther schlecht geredet hat. Dass das dem jungen Ritter geneigte Madchen trotzdem zuvor Sachs aufgehetzt hat, am Wettsingen um ihretwillen teilzunehmen, ist weder blosse Koketterie noch Kalkul, um das schlechteste Ergebnis, d.i. die Heirat mit Beckmesser, zu vermeiden, sondern ist als der Ausdruck ihres Herzens zu verstehen, das zerrissen ist zwischen dem vaterlichen teuren Freund und dem jungen Mann, der plotzlich vor ihr erschien und sie unwiderstehlich gebannt hat, wie sie im dritten Aufzug Sachs gegenuber bekennt: "Hatte ich die Wahl, nur dich erwahlt' ich mir:… doch nun hat's mich gewahlt zu nie gekannter Qual… Euch selbst, mein Meister, wurde bang'." Seine von ihm selber nicht kontrollierbare Haltung in der letzten Halfte des zweiten Aufzugs, die am Ende zu Verwirrungen fuhrt, war also der Ausdruck sowohl seiner von Evas Angst angesteckten Empfindung als auch seiner inneren Natur, die umso starker widerstand und sich Luft zu machen versuchte, als es ihm galt, "des Herzens suss Beschwer zu bezwingen." "Das Schusterlied" ist Ausdruck eines solchen Ventils. Indem Sachs nach der biblischen Episode der Verbannung von Eva und Adam aus dem Paradies satirisch den Vorwurf gegen sein Evchen macht, vernimmt man leise im Orchester jenes Entsagungs-(bzw. Wahn-) Motiv, dessen "schwermutig sinnender" (so Thomas Mann) Klang den verborgenen Sinn des Liedes andeutet, namlich das verlorene Paradies; die idyllische Zeit sei schon voruber, in der Sachs und Eva, weder durch das Problem der wirklichen Heirat, noch durch das Erscheinen einer dritten Person gestort, gemeinsam im harmonischen Einklang gelebt haben. Am Ende der zweiten Strophe dieses Liedes donnert Sachs los: "War' ich nicht fein Engel rein, Teufel mochte Schuster sein!" Die danach stattfindende Prugelei sieht gerade wie der Streich eines solchen Teufels aus, der aber in der Tat als Projektion des tobenden Innenlebens von Sachs anzusehen ist. Er nimmt doch am nachsten Morgen wieder seinen engelhaften Zug an, als er sich entschliesst, den Wahn fein zu lenken. Wie sich das Damonische nach der beruhmten Aussage Goethes ("nicht teuflisch, denn es war wohltatig, nicht englisch, denn es liess oft Schadenfreude merken") nur in Widerspruchen manifestiert, wirkt der Wahn fur Sachs, den Lenker der damonischen Kraft des Wahnes, nicht nur negativ, sondern auch positiv, namlich als schopferische Energie (ein "Wesen, das zwischen alle ubrigen hineinzutreten, sie zu sondern, sie zu verbinden schien"). Diese schopferische Energie beweist er dadurch, dass er Walther lehrt, aus seinem Traum, "des Menschen wahrstem Wahn", ein Meisterlied zu erschaffen. Gerade weil er diese Ambivalenz des Damonischen bemerkt hat, ruft er in seiner Schlussrede dem Volk zu: "Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister." Dieser Satz bedeutet namlich, dass man jetzt im Licht des Tages die gute schopferische Seite des Damons anlocken muss, in dieser Stadt Nurnberg, wo in der vergangenen Mitternacht die zerstorerische Kraft, also die boshafte Seite des Damons, getobt hat. Diesem Wunsch von Sachs/Wagner kommt jedoch eine ironische Bedeutung zu, wenn man den Lauf der deutschen Geschichte im Auge behalt: Auf das Volk in Nurnberg im 16. Jahrhundert wartet in der Zukunft der verheerende dreissigjahrige Krieg; wahrend fur Wagners Zeitgenossen mit der Grundung des Deutschen Reiches 1871, also drei Jahre nach der Urauffuhrung der Oper, Deutschlands "Sonderweg" begann, der bis zur Katastrophe des Nationalsozialismus fuhren sollte.
著者
堀 勇夫
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.25, pp.89-96, 1960-11-05 (Released:2008-03-28)

Sapphos Tragik erklärt Benno von Wiese wie folgt: "das Vernichtende für Sappho liegt nicht nur darin, daß ihre Liebe verschmäht und ihre Person falsch bewertet wird, sondern daß in ihrem Innern Gefahren ausgelöst werden, die sie nicht mehr bannen kann. Sappho, die sich der Kunst entfremdete um des Lebens willen, hat sich zu tief mit ihm eingelassen, um jetzt nicht seine brutale Nähe als verwundend und schmerzhaft zu empfinden...... Sie stirbt, weil sie rich nur so vor dem verletzenden, qualvollen Zugriff des Lebens zu schützen vermag……“.Manche Kritiker sind derselben Meinung. Und Sappho scheint selbst mit ihren letzten Worten zu dieser Auslegung zu verhelfen.Nachdem ihre Liebe verschmäht war, verstrickte sich Sappho gewiß in die Affekte der Leidenschaft, der Eifersucht und der Rache; aus ihr wurde eine eifersüchtige Furie. Und sie mußte vor sich selbst Furcht haben. Was sie doch in Wirklichkeit zur Verzweiflung trieb, war etwas anders als dies: es war ihre noch schmerzhaftere Selbsterkennung, daß sie nicht als eine Frau, sondern nur als die Göttin der Dichtkunst für Männer reizend war, und aus dem menschlichen Liebesgenuß ausgeschlossen war. Außerdem erkannte sie, daß die Göttin der Dichtkunst in der Menschenwelt nichts anders als ein Idol war.Deshalb entschloß sie sich, wenn sie in der Welt nur ein Idol sein und bleiben müsse, so nchme sie von der Welt als ein Idol Abschied. So führte sie zum letzten Abschied eine Szene auf: "Ein Idol kehrt zu den Göttern züruck!“. In dieser Vorstellung war ihr Tod allerdings eine wirkliche Tatsache, "Zu den Göttern zurückkehren“ aber blieb bedauernswert nur ein Schauspiel. Diese klägliche Sachlage symbolisiert das tragische Schicksal einer Dichterin, die weder eine Frau noch eine Göttin werden konnte.
著者
植 朗子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.148, pp.296-306, 2014-03-25

In diesem Aufsatz versuche ich, die Symbolik der Baume in den "Deutschen Sagen" zu erklaren. Von der Antike an gab es eine enge Beziehung zwischen Mensch und Baum. Der Baum diente als Symbol fur Seelenwanderung und Verwandlung, um ihn ranken sich zahlreiche Sagen, Mythen und Marchen. Die Deutschen Sagen der Gebruder Grimm bestehen aus zwei Teilen. Im ersten Band (1816) befinden sich Sagen zu bestimmten Orten. Der zweite (1818) enthalt historische Sagen. Die Sage will Wirklichkeit vermitteln, ihre Stoffe beziehen sich auf tatsachliche Geschehnisse. Zu ihnen gehort die Annahme, dass sie bestimmte Ereignisse und Begebenheiten widerspiegeln. Der Inhalt einer Sage selbst ist jedoch manchmal nur unvollstandig und muss im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept der Deutschen Sagen gelesen werden. Auch die handschriftlichen Notizen Jacob Grimms weisen auf die Bedeutung einzelner Motive hin. Dadurch kann man zu einem besseren Verstandnis der Sagen gelangen. Was fur eine Bedeutung erkannten die Bruder Grimm nun im Motiv der Baume? Dieses Motiv basiert auf Ansichten des Heidentums, es ist Ausdruck fur Unsterblichkeit und Wachstum. Das Reisig wird als Symbol des Kosmos gesehen. So gibt es zum Beispiel die Erzahlung "Ursprung der Sachsen" (DS408) in den historischen Sagen, wo erzahlt wird, dass die Menschen aus den Baumen kamen. Auch die Deutsche Mythologie. von Jacob Grimm liefert zusatzliches Material, beispielsweise den Baum des Lebens oder Weltbaum (Yggdrasil) und den heiligen Hain. Der Baum als Motiv findet sich oft in der Nahe von Brunnen, well Brunnen und Quellen in der Mythologie in Zusammenhang mit dem Reich der Toten gesetzt waren und die Seele des Lebens beinhalteten. Vor noch alterem mythischem Hintergrund assoziierte der Volksglaube das Element Wasser auch mit dem Motiv der Metamorphose. Die Seelenwanderung ist die Vorstellung, dass alles Lebendige sich in einem Kreislauf befindet. Das aus einem Baum geborene Magdelein erscheint in neuer Gestalt wieder. Dies bedeutet keine Auferstehung, sondern eine Verwandlung. Wir konnen keine Gewissheit daruber haben, woher eine Seele kommen wird, denn die Geburt eines Lebens ist etwas Mystisches.
著者
早崎 守俊
出版者
JAPANISCHE GESELLSCHAFT FUER GERMANISTIK
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
vol.52, pp.23-32, 1974-03-31 (Released:2008-03-28)

Der Zusammenbruch des Romans in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts muß in Bezug auf den Verfall der bürgerlichen Gesellschaft, der durch den ersten Weltkrieg offenbar wurde, betrachtet werden. Natürlich war der Verfall der bürgerlichen Gesellschaft in den Großstädten, die früher industrialisiert waren, am schnellsten. Im Jahre 1910 machten Rilkes "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ Ansätze zu einer Beschreibung des Grosßtadtlebens und enthüllten ihre Anonymität. Aber sie fanden leider keine Nachfolge. Die sozialen Romane Heinrich Manns stellten zwar die Wilhelmische Gesellschaft dar, aber sie ließen die Großstadt als die zu kritisierende Welt in den Hintergrund sinken, weil er diese stark ablehnte. Um den wahrhaftig blutigen Kampf zwischen der Stadt und dem Menschen anzutreffen, mußte man lange warten, bis im Jahre 1925 der New Yorker Roman "Manhattan Transfer“ von John Dos Passos und im Jahre 1929 Alfred Döblins großes Buch "Berlin Alexanderplatz“ erschienen."Berlin Alexanderplatz“ hat den Untertitel "Die Geschichte vom Franz Biberkopf“, der von Döblin erst auf Drängen des Verlegers hinzufügt wurde; das ist ein ironischer Fehler. Denn wenn Döblin die Spur der Schicksale Biberkopfs in Zeitlupe verfolgt, zeigt sich dort nicht die "Geschichte vom Franz Biberkopf“, sondern die groteske Existenz der Großstadt Berlin. Die Großstadt nimmt zunächst Biberkopf ein und laßt ihn erst dann ihr wahres Gesicht sehen, als er schließlich vor ihrer Macht "Ja!“ sagt und niederkniet.In "Berlin Alexanderplatz“ beherrscht Döblin fast alle Stile der Kunst des 20. Jahrhunderts: des Expressionismus, des Futurismus, des Dadaismus und des Surrealismus. Seine an Bindewörtern armen Sätze wirken expressionistisch. Das folgende Beispiel dagegen ist dem "Technischen Manifest der Futuristischen Literatur“ treu. Das Geschrei der mißhandelten Mietze, der Freundin Biberkopfs:"Schreien, Schreien unaufhörlich aus ihrem Mund, quallvolles Schreien, gegen das hinter dem Rauch auf dem Bett, eine Schreimauer, Schreilanzen gegen das da, höher hin, Schreisteine……Quellendes Schreien, Schreimassen, gegen das da, keine Zeit, keine Stunde, kein Jahr.“Der nächste Satz, der wahrscheinlich den Geschlechtsakt vertretbar ausdrückt, ist wiederum surrealistisch:"Zauber, Zucken. Der Goldfisch im Becken blitzt. Das Zimmer blinkt, es ist nicht Ackerstraße, kein Haus, keine Schwerkraft, Zentrifugalkraft. Es ist verschwunden, versunken, ausgelöscht die Rotablenkung der kinetischen Gastheorie, die Verwandlung von Wärme in Arbeit, die elektrischen Schwingungen, die Induktionserscheinungen, die Dichtigkeit der Metalle, Flüssigkeiten, der nichtmetallischen festen Körper.“Montage ist ein wichtiges Mittel in diesem Roman. "Berlin Alexanderplatz“ lebt vor allem von der Montage in ihren verschiedenen Formen. Die Photomontage aus Zeitschriftenausschnitten, Reklame, Plakatwänden, amtlichen Publikationen und anderem spielt eine große Rolle, die nackte Wirklichkeit der Großstadt darzustellen.Montierte Sätze aus der Bibel, aus dem klassischen Drama, aus dem Volkslied oder aus dem Schlager verwendet Döblin als Mittel, alltägliches Geschehen und Gedanken in etwas Universales zu verwandeln. Zum Beispiel führt er in der Schilderung von Reinholds Mord an Mietze immer wieder den folgenden Satz aus dem Alten Testament an:"Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde, ein jegliches hat sein Jahr, geboren werden und sterben, pflanzen und ausrotten, das gepflanzt ist, ein
著者
井出 万秀
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.92-109, 2010-03-25

Das Kommunikationsziel pragt bekanntlich die sprachlichen Formulierungen, wie ein appelierender Text anders gestaltet wird als ein unterhaltender. Anhand des Fruhneuhochdeutschen versuche ich in meinem Beitrag, textsortenmassiger Spezifik des Nominalisierungsstils des Deutschen sprachhistorisch nachzugehen. Gemessen am Grad der Satzaquivalenz einer Nominalgruppe, inwieweit Satzglieder wie Subjekt, Objekt, Pradikat, Richtungsangaben u.a. in einer Nominalgruppe enthalten sind, lasst sich zwischen unterhaltenden und sachlich vermittelnden Texten kein gravierender Unterschied feststellen, da die Muster der Satzaquivalenz "Subjekt+Pradikat" (Die Heyden die wurden der Gast zukunfft gewar) als auch "Objekt+Pradikat" (die beschreibung diser kranckhait) in beiden Textsorten haufig vorkommen, wahrend-anders als im modernen Deutsch-komplexere Muster wie "Subjekt+Richtungsangaben+Pradikat" (durch seinen Hoffart und Abfall von Gott) sowie "Objekt+Richtungsangaben+Pradikat" (auch dabey die schaidung des Ertz vom Silber vnnd Gold zubringen) nur selten, "Subjekt+Objekt+Richtungsangaben+Pradikat" (an […] der Taufe des bis dato grossten Passagierschiffs der Welt auf den Namen <<Bismarck>> durch den deutschen Kaiser) dagegen uberhaupt nicht zu finden sind. Zur Beantwortung der Fragen, welche morphologische Form des Kernsubstantivs der Nominalgruppe tendenziell uberwiegt, wo sich die vom Kernsubstantiv abhangigen Glieder befinden (vor oder nach dem Kernsubstantiv), welche Form sie annehmen (Possessivum oder Substantiv im Genitiv bzw. in Prapositionalphrase), ob die Position der abhangigen Glieder mit deren Form gewisse Korrelation aufweist usw., bedarf man zwar noch einer weiteren, quantitativen Untersuchung, aber es scheinen mir in den sachlich vermittelnden Texten tendenziell eine zunehmende Beteiligung der Prapositionalphrase an der Gestaltung der Nominalgruppe (ain warnung an die Mercurialische artzet) und die isomorphe, nominale Wiederaufnahme der verbalen Pradikation (DEn toden Mercuri lebendig zumachen/auff das er durch disen ausssgang gebracht werd/merckent seine lebendig machung also) ausgepragt zu sein. Handlungen und Sachverhalte, die einmal im Text erwahnt wurden, werden nominal kompakt fur den weiteren Textverlauf verfugbar gemacht, wobei das attributive Partizip in der Nominalgruppe nicht die Eigenschaft des Bezugsnomens modifiziert, sondern eine Handlung bezeichnet, die den im Bezugsnomen genannten Gegenstand betrifft (Darnach mach die zwey zuosamen gesetzten teyl der fuenfeck/wie for). Vermutlich ermoglicht es das kommunikative Gebot in den sachlich vermittelnden Texten, das bereits Erwahnte gezielt in Form einer Nominalgruppe wortlich scharf umrissen zu formulieren.
著者
西出 佳代
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.127-142, 2010-03-25

Mehrere westgermanische Sprachen und Dialekte, die Verbzweitstellung haben bzw. im CP-Head komplementare Distribution zwischen dem Complementizer und dem finiten Verb aufweisen, haben eine weltweit seltene Eigenschaft: das Complementizer Agreement. Luxemburgisch (lux.) ist ein Beispiel fur diese Sprachen. Wenn hier ein Nebensatz das Subjekt in der 2. Sg. hat, tragt der Complementizer "datt" (dt. <dass>___-) die Endung "s" (dt. <-st>___-), die mit dem finiten Verb in Person und Numerus kongruiert. (1) (lux.) Ech si frou, datt s__- de fonnt hues__-, wat un denger Maschinn futti war. Ich bin froh, dass 2. SG. du gefunden hast, was an deiner Maschine <kaputt>___-war. Saint-Exupery (2004^5: 84) Wie die meisten Sprachen, in denen der Complementizer konjugiert, hat der Complementizer im Luxemburgischen ein defektives Paradigma im Vergleich mit dem der finiten Verben. Wahrend die finiten Verben in allen Personen und Numeri eigene Endungen haben, kennt der Complementizer nur die Endung "s" fur die 2. Sg. Um plausible Erklarungen fur diese Defektivitat zu geben, bieten sich zwei Gesichtspunkte an: morphologisch und phonologisch. In morphologischer Hinsicht bietet eine Generalisation von Hoekstra/Smits (1997) einen wichtigen Hinweis. Diese Generalisation (ndl. 'agreement-in-o.t.t.=agreement-in-o.v.t.'-generalisatie) wird von der Tatsache abgeleitet, dass das Complementizer Agreement kein Agreement in den Tempora hat. Deswegen kann der Complementizer nur die Endungen fur Personen und Numeri tragen, die im Prasens und im Prateritum identische Formen haben. Die diese Generalisation erfullenden Endungen im Luxernburgischen sind "s" (dt. <-st>___-) in der 2. Sg. sowie "en" (dt. <-en>___-) in der 1. Pl. und 3. Pl. Beispiele aus der alteren Literatur (Bruch 1973: 87) belegen, dass Endung "en" auch in der 1./3. Pl. erscheinen kann. Heutzutage sind diese Formen aufgrund phonologischer Ursachen jedoch selten, aber nicht ausgestorben. Luxemburgisch hat in erster Linie die phonologische Regel "n-Tilgung", wobei das auslautende "-n" getilgt wird, wenn nicht ein Vokal oder die Konsonanten [h], [t], [d], [ts] (,[dz]) folgen. Somit ist es haufig der Fall, dass das auslautende "-n" von der Endung "-en" [en] nicht ausgesprochen wird. Daneben fallt auch das Schwa wegen der generellen Neigung der Apokope im Luxemburgischen leicht ab, das nach der "n-Tilgung" bestehen bleibt. Folglich kommen die phonologischen Situationen haufig vor, in denen die Endung "en" nicht ausgesprochen wird. Eben diese Tatsache kann den Abfall der Endung "en" im Paradigma des Complementizers verursachen. Die einzige Endung, "s", des Complementizers im Luxemburgischen kann daher morphologisch und phonologisch konsequent verstanden werden. Fur den Complementizer Agreement-Mechanismus stellt das Luxemburgische ein wichtiges Beispiel dar. Zunachst einmal kann das Complementizer Agreement Eigenschaften erklaren, die mit einer normalen syntaktischen Analyse nicht erklart werden konnen. Das Westfriesische (wfr.) zeigt z.B. das Phanomen "first-conjunct agreement" (Ackema/Neeleman 2004: 248): (2) (wfr.) Ik tink datst do en Marie dit wykein yn Rome west ha. I think that-2. Sg. you and Mary this weekend in Rome been have. Ackema/Neelman (2004: 248) Beim Complementizer Agreement spielt die Nachbarschaft zwischen dem Complementizer und dem Subjekt eine grosse Rolle. Eine daraus abgeleitete Analyse ist die "PF feature checking" von Ackema/Neeleman (2004). Sie nehmen zuerst an, dass es zwei Typen vom Agreement gibt, die auf der syntaktischen Ebene und auf der phonologischen Ebene geleistet werden. Sie behaupten weiterhin, dass das Complementizer Agreement auf der fur die Nachbarschaft sensitiven, phonologischen Ebene, wahrend das Agreement von den finiten Verben auf der syntaktischen Ebene geleistet wird. Das Agreement auf der phonologischen Ebene wird nach Ackema/Neeleman (2004) in der "prosodic phrase" (φphrase; Align (<right edge, XP>, <right edge, φ>) (Ackema/Neeleman 2004:186)) gultig. Das "first-conjunct agreement" ist daher so zu verstehen, dass die "φphrase" mit dem ersten nebengeordneten Subjekt geschlossen wird und deswegen die Merkmale 'Person' und 'Numerus' des Complementizers nur fur diese ersten uberpruft werden. Eine andere Analyse, die aus der Nachbarschaft zwischen dem Complementizer und dem Subjekt abgeleitet wird, ist die "(ndl.) syntactische incorporatie" des Subjekts in den CP-Head (De Haan 1997). Diese Analyse ist jedoch fur das Luxemburgische nicht gultig, wo zwischen Complementizer und Subjekt eine Fokuspartikel eingesetzt werden kann: (3) (lux.) Et ass ongleeflech, datt s souguer du sou eppes gemacht hues. Solche Fokuspartikeln verhindern die "syntactische incorporatie", aber sie fungieren nicht als "φphrase closure". Deshalb konnen die grammatischen Merkmale des Complementizers mit dem Subjekt in der gleichen "φphrase" abgeglichen werden. Das luxemburgische Beispiel mit der Fokuspartikel illustriert die Gultigkeit der Analyse "PF feature checking" fur das Complementizer Agreement. Ausserdem spielt dabei der Abfall des Schwa von der Endung in 1./3. Pl. des Complementizers "-en" nach der "n-Tilgung" eine grosse Rolle. Das scheinbar auslautende Schwa im Luxemburgischen fallt prinzipiell nicht ab, wenn das in einer tiefen Ebene, d.h. in der lexikalischen oder syntaktischen Ebene, mit dem folgenden "-n" keinen Auslaut bildet (lux. de Papp<den Papp: dt. der/den Vater, akafe goen<akafen goen: dt. einkaufen gehen, lux. en Zeeche setzen<en Zeechen setzen: dt. ein Zeichen setzen). Die Tatsache, dass das Schwa der Endung des Complementizers trotzdem abfallt, zeigt, dass diese Kongruenz auf einer oberflachlichen, phonologischen Ebene stattfindet. Im vorliegenden Artikel habe ich dem defektiven Paradigma des luxemburgischen Complementizers Erklarungen gegeben und gezeigt, dass das Einfugen einer Fokuspartikel in dieser Sprache in der Analyse des Mechanismusses des Complementizer Agreements in westgermanischen Sprachen und Dialekten eine entscheidende Rolle spielt. Weitere Beschreibungen und Analysen der luxemburgischen Sprache versprechen daruber hinaus neue und entscheidende Impulse fur die Erforschung der germanischen Sprachen.
著者
神尾 達之
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.130, pp.15-29, 2006-10-30

Der privilegierte Status des Beobachters, der im "klassischen Zeitalter" (M. Foucault) einen transzendentalen Blick ermoglicht hatte, verier im Verlauf der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts an Stabilitat. Zur geradezu klassischen Voraussetzung "Vernunft" hieβ es beispielsweise in Lavaters "Von der Physiognomik": "Sagt uns die Vernunft nicht, daβ jedes Ding in der Welt eine auβere und innere Seite habe, welche in einer genauen Beziehung gegen einander stehen?". Der Physiognomik Lavaters lag also gleichsam die Intuition durch die Vernunft zugrunde. Er gab auch die Bedingungen fur die physiognomische Kompetenz an. Der "Beobachtungsgeist" musse namlich Herr uber den zu beobachtenden Gegenstand sein. Die Objektivitat dieser physiognomischen Beobachtung war, so koennte man sagen, dadurch garantiert, daβ sich das Objekt seines Beobachtetseins nicht bewuβt war. Von daher empfahl Lavater, daβ der Physiognomiker die Gesichter im Profil "beobachte"; so wirken silhouettierte oder gezeichnete Gesichter als Beobachtungsobjekte noch gunstiger. Um die ideale Beobachtungsposition einzunehmen, ging Lavater "in die Einsamkeit", d.h. in seine groβe Kollektion; er soll mehr als 20,000 Bildnisse gesammelt haben. Die Lavatersche Physiognomik war ein Traum, den die "Vernunft" in einer riesigen Datenbank traumte. Rousseau, ein Schweizerischer Zeitgenosse Lavaters, liebte auch die Einsamkeit, aber nicht umgeben von Bildnissen, sondern von Pflanzen. Er hat seine letzten Jahre in und bei Paris gelebt und zu dieser Zeit autobiographische Werke wie "Les Confessions", "Dialogues de Rousseau juge de Jean-Jacques", "Les Reveries du promeneur solitaire" geschrieben. In diesen Werken observiert er sich selbst rucksichtslos und beklagt sich zugleich im Verfolgungswahn daruber, daβ ihn andere standig beobachten. Die einseitige Beobachterposition, die ihm der botanischen Welt gegenuber bisher moglich war, laβt sich in Paris nicht realisieren und wird unterminiert. Hier muβ der Beobachter selber auch der zu beobachtende Gegenstand sein. Der Autor fuhlt sich von "l'ordre des choses" gerissen; er kann sich in Paris nicht mehr autonom orientieren. In E.T.A. Hoffmanns Erzahlung "Des Vetters Eckfenster" scheint die Beobachterposition vorerst stabil. Und der behinderte Protagonist scheint ungestort vom Blick der anderen zu sein, denn er ist in sein Zimmer, das eine camera obscura darstellt, zuruckgezogen. Aber er begnugt sich nicht mit bloβer Beobachtung von oben her. Er liest typisierend an dem auβeren Eindruck, den er von einzelnen Menschen hat, willkurlich je eine Geschichte ab. D.h. er beobachtet nicht, sondern erfindet. Daruber hinaus erwahnt der Text, obwohl marginal, daβ die Hauptfigur schon von An fang an beobachtet wurde. Dies steht symptomatisch fur die Umpositionierung des Beobachters. Der Beobachter wurde J. Crary zufolge um 1820 und 1830 in ein unmarkiertes Feld versetzt, auf dem die Unterscheidung zwischen Innen und Auβen unwiderruflich verwischt ist. Ganz anders als in Berlin kann der Beobachter in Wien noch immer an seiner stabilen Stellung festhalten. In Grillparzers "Der arme Spielmann" tritt der Protagonist als Fuβganger auf. Er kann souveran die Bewegung der Donau und der Masse uberblicken und aus auβerlichen Informationen die "Biographien der unberuhmten Menschen" zusammenlesen. Diese physiognomische Fahigkeit ermoglicht es ihm, die Vergangenheit des armen Spielmanns aufzudecken. Am Ende der Erzahlung gelingt es ihm auch, an den Tranen einer Frau ihre Beziehung zu dem Spielmann abzulesen. Dieser Flexibilitat des Beobachters entspricht die Popularisierung von Lavaters Physiognomik. An fang des 19. Jahrhunderts erschienen, angeregt durch die Zuwanderung in die Groβstadte, mannigfaltige verkurzte Versionen seiner umfangreichen "Physiognomischen Fragmente zur Beforderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe", wie "le Lavater portatif" u.a. Die Mobilitat der Beobachtung garantiert aber nicht das Gelingen der Physiognomik. "The Man of the Crowd" von Poe problematisiert schon die physiognomische Lesbarkeit in den Groβstadten. Diese von dem Satz "er lasst sich nicht lesen" umrahmte Erzahlung beginnt mit einer klassifizierenden Beobachtung aus dem Innenraum eines Cafes. Die Hauptfigur, der ein alter Mann plotzlich auffallt, entschlieβt sich, ihn zu verfolgen. Die Verfolgung fuhrt den Beobachter in ein Stadtviertel, dessen Pflastersteine "at random, displaced" im wuchernden Gras liegen. Dieser Raum gehort nicht mehr zu den "klaren Raumen, in denen die Dinge nebeneinandertreten" (M. Foucault). Der Raum, den die Lavatersche Physiognomik voraussetzte, ist nicht mehr gultig. Am Ende verzichtet der Beobachter auf die geheime Verfolgung und blickt dem Mann direkt ins Gesicht. Aber der beobachtete Mann bemerkt ihn nicht. Das mobile Beobachten scheitert. Baudelaire, der Poes Erzahlung ins Franzosische ubersetzt hat, multipliziert in seinem Gedicht "Les sept Vieillards" den unheimlichen Alten in der Menge. Baudelaire laβt den erschopften Verfolger den gleichen Greis halluzinatorisch siebenfach sehen. Endlich zuhause, aber orientierungslos, tanze der Verfolger "sur une mer monstrueuse et sans bords". Seine "raison" kann nicht mehr das Steuer fuhren. Der Verlust der objektiven Beobachterposition, welche die physiognomische "Vernunft" seit Lavater voraussetzte, wird durch die Geburt einer modernen Asthetik kompensiert.