著者
中村 寿
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.154, pp.176-194, 2017-03-25 (Released:2018-03-31)

Selbstwehr—Unabhängige jüdische Wochenschrift (1907–1938) war eine deutschsprachige jüdische Zeitung, die ihren Sitz in Prag hatte. Selbstwehr definierte sich zwar als jüdische Zeitung, war jedoch tatsächlich eine zionistische Propagandazeitschrift, d. h. sie propagierte den Nationalismus des jüdischen Volkes. Im Gegensatz zum herkömmlichen Judentum versuchte der Zionismus bzw. das „Nationaljudentum,“ wie seine Anhänger es nannten, die Juden als anderen Völkern gleichberechtigt gegenüberzustellen, indem die jüdische Identität nicht nur als religiös, sondern auch als national interpretiert wurde. Diese Zeitung wird oft im Zusammenhang mit der Prager deutschen Literatur von der Jahrhundertwende bis zur Mitte der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erwähnt. Der Grund dafür könnte sein, dass Kafkas Vor dem Gesetz und andere kurze Stücke in und nach der Kriegszeit des Ersten Weltkriegs erstmals dort veröffentlicht wurden. Deshalb waren es die Kafka-Forscher, die Selbstwehr in die Diskussion der Germanisten eingeführt haben. Laut Binder gibt es außer Selbstwehr zudem keine Zeitschrift, die in Kafkas Tagebüchern oder Briefen so oft erwähnt wird. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
吉田 治代
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.154, pp.82-102, 2017-03-25 (Released:2018-03-31)

Ernst Blochs Utopie mit ihrem ‚religiös-marxistischen‘ Impetus ist im späten 20. Jahrhundert in Verruf geraten. Entsprechend der berühmten Interpretation von Karl Löwith, dass das Dritte Evangelium von Joachim von Fiore sowohl als die Dritte Internationale wie auch als das nationalsozialistische „Dritte Reich“ erscheine, haben Kritiker wie K. Vondung und N. Bolz Blochs Geist der Utopie mit dem „apokalyptischen Geist“ und somit dem „philosophischen Extremismus“ identifiziert und – genauso wie Nationalismus / Faschismus – mitverantwortlich für die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gemacht. Dass es sich hier um eine voreilige Kritik handelte, lässt Siegfried Kracauers Einschätzung des Blochschen Denkens erkennen. Auch er fand zwar in Blochs Büchern Geist der Utopie (1918) und Thomas Münzer (1921) zunächst das Manifest eines „religiösen Kommunismus“ und kritisierte, dass Bloch die politische Utopie der klassenlosen Gesellschaft mit der apokalyptisch-eschatologischen Erwartung verschränkt habe. Gegen Ende der 1920er Jahren hat Kracauer jedoch eine weitaus differenziertere Sicht entwickelt. Er sieht beim linken Philosophen einen konservativen Zug, indem dieser die Dinge nicht nur „entschleiern“, sondern auch „bewahren“ will. Damit trifft Kracauer genau das Motiv des Buches Erbschaft dieser Zeit (1935). „Zum utopischen Ende stürmen“ einerseits und andererseits „in der Welt verweilen“, „alles Gewollte, Gedachte und Geschaffene einsammeln“ – das gehört bei Bloch zusammen, und Kracauer nennt in den späteren Jahren Blochs Utopie „eine bewahrende“. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
針貝 真理子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.156, pp.192-207, 2018 (Released:2019-03-31)

René Pollesch, einer der brisantesten Regisseure und Dramatiker im deutschen Gegenwartstheater, ist seit 2001 vor allem an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz tätig. Er bemüht sich um theatrale »Widerstands­prak­tiken« in der postfordistischen Kontrollgesellschaft. Denn es waren eben Künstler, die einen postfordistischen Arbeitsstil vorwegnahmen. Dieser Aufsatz behandelt Polleschs Stück »Stadt als Beute« (2001) in der »Prater Trilogie«, das sowohl als Theatertext als auch Inszenierung hochgeschätzt wurde. Polleschs Theaterarbeiten gelten als zentral für die Praxis des postdrama­tischen Theaters, dessen Konzept der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann anhand von Heiner Müller entwickelt hat. Um die Arbeit Polleschs in der Theater- und Literaturgeschichte zu verorten, verdeutlicht dieser Aufsatz zunächst mit einem Vergleich zwischen Müllers »Die Hamlet­maschine« und Polleschs »Stadt als Beute« die Einflüsse von Müllers Arbeit auf Polleschs Textstil. Das wichtigste Merkmal, das beide Theatertexte teilen, ist die Einflechtung des Körpers der Schauspieler in die schriftlichen Texte. Die spielenden Körper tauchen in beiden Theatertexten als Lücken auf: Ohne den Auftritt der spielenden Körper entwickeln die Texte nicht ihre Wirkung. In einem zweiten Schritt wird die Aufführung von »Stadt als Beute« analysiert. Die Wohnung, die der Bühnenbildner Bert Neumann auf der Bühne errichtet hat, wird als Nicht-Ort im Sinn von Marc Augé konzipiert. An jenem Nicht-Ort wird gezeigt, wie die Körper und der Ort der Bewohner durch globales Marketing ausgebeutet werden. So werden sie zu einem Teil der globalen Ökonomie. Pollesch ist sich dabei völlig bewusst, dass auch das Theater selbst nicht außerhalb der globalen Ökonomie existieren kann. Er stellt sich somit die Aufgabe, das Theater nicht mehr als Forum oder Spiegel der Außenwelt fungieren zu lassen, sondern das Theater zu einem Ort zu machen, »an dem die Wirklich­keit anders vorkommt«. Auf diese Weise versucht er, »Kunst zu politisieren, und damit das Publikum«. Lehmann zufolge will das postdramatische Theater seine politische Praxis nicht durch die Repräsentation bereits gegebener politischer Ereignisse, Meinungen oder Ideologien durchführen, die zumeist nur als »Bestätigungsritual schon Überzeugter« fungieren können. Das Politische des postdramatischen Theaters kann seine künstlerische Qualität nur dann entfalten, wenn es durch das »Aussetzen« bzw. Unterbrechen »der normierten, rechtlichen, politischen Verhaltensweisen selbst« die im Alltag unsichtbare Regel sichtbar macht. Um den Ort, an dem die Wirklichkeit anders vorkommt, und das Politische des postdramatischen Theaters von Pollesch zu beleuchten, ist es unent­behrlich, nach den Orten der darstellenden Körper zu fragen. Obwohl die Darstellenden auf ihre Orte während des Spiels mit »hier« oder »da« verweisen, werden ihre Körper beständig vermarktet und an Nicht-Orte geliefert. Die Amorphie ihrer Orte ist im Wort »Gas« ausgedrückt. »Gas« ist auch der Begriff, den Deleuze wählt um die neue Form der Kontrolle in der »Kontrollgesellschaft« zu beschreiben, eben jene »Unternehmen«, die anders als Fabriken oder Gefängnisse keine Körper mehr einschließen. Die Schau­spieler bei Pollesch, die sich in ihrer Bühnenarbeit tatsächlich postfordistisch verkaufen, werden nicht einseitig kontrolliert, sondern sie benehmen sich gleichzeitig selbst wie »Unternehmen«. Ihr kontrollierendes »Gas« sind hierbei die eigenen Stimmen der Darsteller, die sie sowohl rezipieren, als auch hervorbringen. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
森澤 万里子
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.140, pp.60-75, 2010-03-25

Ein Zugang zur deutschen Sprachgeschichtsforschung unter soziopragmatischen Aspekten ist, Eigenschaften einzelner Textsorten, die unter verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Bedingungen entstanden, zu analysieren. Dabei handelt es sich um typische sprachliche Ausdrucksmittel auf verschiedenen Ebenen innerhalb einer Textsorte, die ein kommunikatives Handlungsmuster Widerspiegeln. Wenn sich kommunikative Bedingungen verandern, schlagen sich diese Veranderungen auf die Ausdrucksmittel nieder. Eine Analyse des Wandels von Texten bzw. Textsorten anhand von typischen Ausdrucksmitteln kann daher uber den Wandel eines kommunikativen Handlungsmusters Aufschluss geben. In diesem Zusammenhang soll in der vorliegenden Arbeit das Augenmerk auf "Turkenschriften" als aktuelle Berichte gerichtet werden. Im 16. Jahrhundert wurden christlich gepragte europaische Lander von der osmanischen Armee angegriffen, vor allem versetzte die "Wiener Turkenbelagerung" (1529) den Deutschen einen grossen Schock. Daher kamen viele Berichte uber die Turken in Form von Flugschriften und Einblattdrucken auf den Markt. Turkenschriften konnen also als ein furs 16. Jahrhundert typisches Genre gelten, in dem typische sprachliche Ausdrucksmittel unter Berucksichtigung des historischen und sozialen Kontextes zu untersuchen sind. Als Beispiele der Texte dieses Genres werden zwei Flugschriften aufgefuhrt: "Turckische belegerung der stat Wien" (1529) und "Tu^^erckische grosse Niderlag" (1579). Die erstere ist eine aktuelle Nachricht uber den Angriff der Turken auf die Christen. Die letztere berichtet uber den Sieg der Perser uber die Turken im Jahre 1579, d.h., sie beschreibt nicht direkt einen Krieg von Christen gegen Turken. Bemerkenswert ist, dass in den Darstellungen dieser zwei Flugschriften die Grausamkeit von Turken in den Vordergrund geruckt ist, besonders in der zweiten. Der grosste Unterschied zwischen den beiden Flugschriften liegt dagegen in der Textgestaltung: in der zweiten wurde dem eigentlichen Bericht eine Art Kommentar hinzugefugt, der fur den aktuellen Bericht uber den Krieg an sich nicht notig war. Dieser im Predigtstil verfasste Kommentar enthalt als einen der Zwecke dieses Berichts eine Ermahnung zur Busse, d.h., die Niederlage-und auch der Sieg-der Turken beruht eigentlich auf Gottes Willen. Daher setzt Gott die sundhaften Christen der Turkengefahr aus, um sie zu bestrafen. Ein soldier fur das Mittelalter typische Textabschnitt erscheint haufig in Einblattdrucken mit dem Thema "Mirakel". Dort wird aus wunderbaren Erscheinungen wie "Blutwunder" der Gotteszorn bzw. eine Warnung abgelesen. In diesem Kontext durften die "Turken" in der zweiten Flugschrift mit solchen Erscheinungen auf eine vergLeichbare Ebene gesetzt werden. Einer der Faktoren dafur, dass die Turkengefahr als ein Zeichen von Gottes Willen gait, konnte daraus erschlossen werden, dass in Turkenschriften die "Grausamkeit" zum Topos wurde. Beim Publikum, das nach einem starken Reiz verlangt, kommen grausame Darstellungen gut an. Diese Reaktion der Adressaten wird auf die Herstellung der Turkenschriften ruckgekoppelt. In dieser Hinsicht spielt die kommerzielle Absicht der Drucker fur die Fixierung des negativen Turkenbildes unter dem Publikum eine grosse Rolle. Bei genauer Betrachtung der damaligen sozialen und politischen Hintergrunde wird allerdings klar, dass von der Absicht der Drucker abgesehen auch andere Interessen mit der Fixierung des Zerrbildes zusammenhangen. Beachtenswert ist die Tatsache, dass wenigstens in den 1520er Jahren das Turkenbild nicht immer negativ ist. Zum Beispiel wird in einer Flugschrift von 1522 die Hoffnung von Leuten aus der niedrigen Sozialschicht auf die Turken erwahnt: Eine turkische Regierung konne eine Verbesserung ihrer schwierigen Lage bedeuten. Die positiven Meinungen werden jedoch allmahlich von den negativen verdrangt. Die katholische Kirche sprach damals von einer Notwendigkeit des Kreuzzugs, eines Krieges der ganzen Christenheit gegen die Turken. Unter diesen Verhaltnissen betonten diejenigen, die den Krieg unterstutzten, das Bild vom grausamen Turken, um unter dem Volk Hass gegen die Turken zu schuren und die offentliche Meinung zu ihren Gunsten zu manipulieren. Daraus lasst sich schliessen, dass an der Bildung des Topos "Grausamkeit" in Turkenschriften nicht nur die kommerziellen Absichten der Drucker, sondern auch die politischen Ziele der katholischen Kirche Anteil haben. Mit anderen Worten: die jeweiligen Absichten von Druckern und Kirche konnen also mit den kommunikativen Bedingungen, die zur Entstehung von Topos und Kommentar gefuhrt haben, gleichgesetzt werden. Das absichtlich gestaltete Zerrbild und der fur das Mittelalter typische Kommentar verschwinden mit der Veranderung der gesellschaftlichen Bedingungen aus den "Neuigkeitsberichten", die sich aufs Neue zu einer neutralen Nachricht entwickeln.
著者
小黒 康正
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.138, pp.188-203, 2009-03-25

In der abendlandischen Literaturgeschichte werden bestimmte Motivkomplexe bis heute in ungebrochener Tradition nach- und neuerzahlt. Dem Typ "Wasserfraugeschichte" kommt dabei eine besondere Rolle zu, da sich eine solche Sage umfassend und ausfuhrlich mit der Problematik des Fremden befasst. Seit der Sirenenepisode in der "Odyssee" handelt es sich in diesem Uberlieferungsbereich um eine Auseinandersetzung zwischen Menschen und Meergeistern. Dieser Konflikt wird in facettenreichen Geschichten dargestellt, welche die Dichotomien von Land und Wasser, Mensch und Natur, Mannlichem und Weiblichem, Verwandtschaft und Fremdheit in Szene setzen. Das literarische Erzahlen richtet sich gern auf etwas, das absolut fremd, das unsagbar oder unerkennbar ist, und versucht, es bekannt und erzahlbar zu machen, wobei es freilich nicht immer verstandlicher wird. Fur die Poesie bedeutet es eine Herausforderung, dieses Fremde in der Sprache einzufangen, obwohl es auch dann oft unentziffert bleibt. Diese unermudliche Bestrebung ist mit dem Prozess einer "Ubersetzung" zu vergleichen, die zwischen zwei Moglichkeiten zu wahlen hat: zwischen einer freien, die das Unbekannte vage oder traumhaft-phantastisch zum Ausdruck zu bringen versucht, und einer wortlichen "Ubersetzung", die das zu "Ubersetzende" begrifflich-systematisch in die verstandesmassige Sprachkonvention einzuordnen bestrebt ist. Wahrend bei einer glatten Ubersetzung sozusagen Frieden zwischen Eigenem und Anderem herrscht, gibt es bei einer barten Ubersetzung einen standigen Widerstreit zwischen dem Eigenen und dem Fremden. In diesem Zusammenhang ist Fouques "Undine" als Hohepunkt der glatten "Ubersetzung" von besonderem Interesse. Das Kunstmarchen fangt mit dem Bild der Aussohnung zwischen Land und Wasser an und endet mit der ewigen Umarmung der Wasserfrau durch den Landmann. Wenn aber beide voneinander getrennt sind, verbindet der Traum den menschlichen Alltag mit der nicht-menschlichen Fremde. Das Kunstmarchen steht im Zeichen angestrebter Versohnung. Die beseelte Wasserfrau ist keine Verfuhrerin mehr, sondern vielmehr ein neues Opfer. Im neueren Marchen verliert die "alte Seele" der Menschen ihr Prestige, und die "neue Seele" der Wasserfrau wird verklart, sodass man sie unsaglich vermisst, wenn sie nicht oder nicht mehr da ist. Die Trauer uber den Verlust einer solchen "neuen Seele" ist haufig der Kern einer Sage, die von der ewigen Liebe erzahlt. In Kunstmarchen dieses Typs erscheint die Kommunikation zwischen Eigenem und Fremdem als so unproblematisch, dass man annehmen kann, es gehe um die utopische Sehnsucht nach der Versohnung von Mensch und Natur. In der "neuen Mythologie" Fouques tragen Landmann und Wasserfrau keinen mythischen Konflikt mehr aus. Dennoch muss festgehalten werden, dass diese Wasserfraugeschichte aus dem Jahr 1811 zwischen den beiden genannten Moglichkeiten des "Ubersetzens" schwankt. Kleists "Wassermanner und Sirenen" setzt sich unter allen Versuchen am unmittelbarsten mit dem Wirklichkeitsfremden solcher Wesen auseinander, um es in die verstandesgemasse Sprachkonvention einzuordnen. Es geht hier um Gefangennahme, Domestizierung und Obduktion. Die Domestizierungsversuche betreffen Kleidung, Nahrung und Wohnung. Ausserdem wird festgestellt, dass der Wassermann schliesslich sprechen lernt, weil der Sprachunterricht zu den grossten Zahmungsprogrammen gehort. Sein Vokabular und uberhaupt seine Kommunikationsfahigkeit zeugen einerseits von dem Erfolg menschlicher Praktiken des Domestizierens, andererseits von der Anpassungsfahigkeit eines solchen Naturwesens, das sich irgendwie in die Zivilisation einlebt. Auch "eine sogenannte Sirene" setzte man dem Licht der Aufklarung aus. Das weibliche Wasserwesen ist jedoch fremd-naturlicher als das mannliche, weil es nicht zufallig, sondern "immer" den animalischen Instinkt, zum Nest zuruckzukehren, habe. Ihre fundamentale Fremdheit besteht aber nicht in dieser naturlichen Regung, sondern in der Unfahigkeit, zu sprechen. Sie kann weder sich artikulieren noch sich uberhaupt sprachlich verstandigen. Bei Kleist wird in diesen halbmenschlichen Wasserwesen der Unterschied der Geschlechter nicht nur korperlich manifest, sondern auch in sprachlicher Hinsicht. Wenn er die "dunkleren" Wasserwesen erwahnt, gerat der Bericht in Unordnung, weil er nur scheinbar objektiv ist. Es kommt zu einer Obduktion, die freilich nicht streng medizinisch vor sich geht, sondern die ihren Gegenstand eher physiognomisch erklart wird. Es gibt hier zwar eine recht unzureichende Kennzeichnung des Gesichts und der menschlichen Korperteile, aber die tierische, nicht-menschliche Beschaffenheit des Wasserwesens wird nicht erfasst. Das Ergebnis der Sezierung ist zu unbestimmt, als dass an diesem Naturwesen eine neue Seite entdeckt wurde. Man versucht, erkenntnistheoretisch gesagt, weder bis an die Grenze der Erkenntnis zu gehen noch die Dunkelheit des Unbekannten zu uberwinden, indem man es in die verstandesgemasse Sprachordnung einbezieht. Am Ende des Textes bestatigt eine damals autoritative Enzyklopadie die Existenz eines "Fischnikkel(s)" oder "Nickelmanns", aber nicht einer "Nickelfrau", geschweige denn die von Sirenen. Der Text lenkt unsere Aufmerksamkeit von den Sirenen ab und bringt das Gesprach auf die Wassermanner zuruck, um die Sache schliesslich ganz einseitig darzustellen. Der schiefe Gestus des Berichts verrat, dass er nur scheinbar objektiv ist. Was nicht domestiziert werden kann, wird seziert, doch nur mit dem Erfolg, dass es fur den Verstand weiterhin dunkel bleibt. Was selbst unter dem Seziermesser nicht erklart werden kann, wird aber unbemerkt beseitigt, um dem nuchternen Verstand am Ende doch Recht zu geben. In diesem Text dreht es sich nicht nur um die grosse Wissbegierde des Verstandesmenschen, sondern auch um seine Selbsttauschung. Bei Kleist konnen Sirenen kaum sprechen, geschweige denn singen, und nur unartikuliert achzen. In Sagen der Antike verfugen sie aber uber betorende Stimmen als Mittel der Verfuhrung, und auch in der deutschen Romantik locken die Wasserfrauen sonst mit jungfraulichem Leib und dem Zauber ihrer Stimme Manner ins Wasser. Seit alters konnen sich in der Dichtung "Landmanner" und "Wasserfrauen" sprachlich verstandigen, ob sie sich nun feindlich oder freundlich gesonnen sind. Die meisten "Wasserfraugeschichten" zeichnen sich gerade dadurch aus, dass eine sprachliche Kommunikation zwischen dem Eigenen und dem Fremden schliesslich doch gelingt. In Kleists "Wassermanner und Sirenen" erscheint aber das fremdere Wasserwesen nicht als redseliger Elementargeist, sondern in seiner sprachlosen Weiblichkeit, sodass hier das Fremd-Wort "Sirenen" in der eigenen, dem Verstand gemassen Sprachordnung besser Wasserfrau heissen sollte als Wasserfrau. Diese weibliche Sprachlosigkeit scheint jene Epoche vorwegzunehmen, die 1837 mit Andersens "Die Kleine Meerjungfrau" einsetzte. In ihr ging es dann - z.B. bei Rilke, Kafka, Th. Mann, Bachmann - um sprachlose oder schweigende Wasserfrauen. 1811 hatte die glatte Ubersetzung in Fouques "Undine" ihren Hohepunkt erreicht, wonach sich Landmann und Wasserfrau versohnen konnen; Kleists "Wassermanner und Sirenen" aus demselben Jahr hingegen folgt der Tradition einer harten "Ubersetzung". Hier kommt es erneut zu einem Widerstreit zwischen Landmann und Wasserfrau. In der neuen Epoche endet dieser elementare Kampf nicht mehr in einer Versohnung, sondern bleibt es bei dem bestandigen Krieg der Geschlechter. So wendet sich 1811 der Typ der "Wasserfrau-geschichte" von der glatten "Ubersetzung" langsam ab und hin zur harten.
著者
田中 岩男
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 : Neue Beitrage zur Germanistik (ISSN:03872831)
巻号頁・発行日
no.133, pp.167-183, 2007-10-15

In einigen bedeutenden Faust-Kommentaren und -Forschungen der letzten Jahre, wie bei A. Schone, U. Gaier und J. Schmidt, ist auf die Besonderheit von Goethes Faust hingewiesen worden. So macht Gaier auf die Vieldimensionalitat des Textes aufmerksam, der viele Perspektiven als Sinnschichten in rich enthalte, und fuhrt demnach sieben thematisch verschiedene "Lesarten" vor. Dieser neue Ansatz ist bemerkenswert, ihm fehlt jedoch fast ganz der Blick auf das Scherzhafte als konstitutives Element des Textes, was auch bei Schone und bei Schmidt der Fall ist. Goethe hat in seinem letzten Brief an Humboldt den Faust als "diese sehr ernsten Scherze" bezeichnet, und ein Paralipomenon zum "Vorspiel auf dem Theater" lautet : "Und wenn der Narr durch alle Szenen lauft, /So ist das Stuck genug verbunden." Mit dem "Stuck" ist selbstverstandlich Faust selbst gemeint, und der "Narr" kann nur Mephisto sein. Goethe erteilt dem Narren Mephisto die Aufgabe, das Ganze zusammenzuhalten. Wenn man Mephisto als Narren und das Scherzhafte fur den Faust als konstitutiv auffasst, werden neue Horizonte der Faust-Interpretation eroffnet. Im vorliegenden Aufsatz soll herausgearbeitet werden, dass gerade die narrenhafte Perspektive der "ernsten Scherze" die Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit des Textes bewirkt und zugleich das ganze Stuck zusammenhalt. Als Hintergrund des Narren Mephisto sind einige Elemente zu nennen : die komische Tradition des Faust-Stoffes im Volksbuch und Puppenspiel, die nahe Verwandtschaft des "Urfaust" mit Farcen und Schwanken, die teuflische Herkunft des Narren im geistlichen Spiel des Mittelalters und vor allem die Tradition der barocken Theaterkunst, der geistlichen Buhne und der Commedia dell'arte. Als Herkunft des Narren Mephisto kann man nicht eine einzige benennen, da hier verschiedene komische Traditionen miteinander verschmelzen. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass sich Goethe gerade in den Jahren um 1800 des Narren Mephisto methodisch bewusst wurde, als er drei Prologe zum Faust konzipierte. Worter wie Scbalk, Narr und Narrbeit usw. werden erst in den um 1800 entstandenen Textpartien bewusst konstitutiv verwendet. Die 'Lustige Person' des "Vorspiels", die vom gleichen Darsteller wie Mephisto zu spielen ist, fordert, auch "der Mitwelt SpaB" zu machen, und behauptet, dass das Theater "nicht ohne Narrheit" sein solle. Wenn Mephisto im "Studierzimmer" I (auch um 1800 entstanden) sich selbst als einen Teil von jener Kraft definiert, die "stets das Bose will und stets das Gute schafft", da scheint er sich seiner Rolle als "Schalk" bewusst zu sein, den Menschen, diese "kleine Narrenwelt" zu reizen. Immerhin ist er die einzige Gestalt innerhalb der eigentlichen Faust-Tragodie, die da auftritt und sie zugleich transzendiert. Mephisto, der als Narr "durch alle Szenen lauft", ist auch im "Prolog im Himmel" mit dabei, bleibt allein und spricht ein letztes desillusionierend-ironisches Wort, das man sich ad spectatores gerichtet denken muss, -eine Geste, die er wahrend des ganzen Dramas noch so oft wiederholt. Wir werden damit an den Spielcharakter auch dieser Szene erinnert. Durch Mephistos narrenhaften Gesichtspunkt wird auch der "Himmel" zur "Welt des Theaters" gehoren, wie Gustaf Grundgens meint. Auch in der "Grablegung", die zusammen mit der Bergschluchten-Szene eine Art Epilog bildet, spielt Mephisto den Narren und schlieBt das ganze Drama ab. Da wird er mit seinen eigenen Waffen geschlagen : Uber der absurden Liebschaft zu den Engeln wird ihm Fausts Seele, "ein groBer, einziger Schatz", weggenommen, und er kann nur seine 'Torheit des Klugerfahrnen' fluchend verspotten. Ist ubrigens die Welt des Theaters, angefangen mit der Wette zwischen dem Herrn und Mephisto im Himmel, d.h. die eigentliche Faust-Tragodie, als Welttheater im Sinn von Calderon zu verstehen? Nein, die Comoedia divina ist nur ein "Struktur-Zitat" und eine paradoxe Einrichtung, versteht sich, um die Comoedia humana total zu entwickeln. In Anlehnung an das alte Modell des theatrum mundi wurde es Goethe paradoxerweise moglich, das ganz Aktuelle im Faust zu behandeln. In den ersten Szenen des 1. Aktes von Faust II, wo Mephisto am Kaiserhof die Rolle des Hofnarren ubernimmt und buchstablich als Narr erscheint, erweist sich der Narr als konstitutiv fur den ganzen Faust und dessen Komposition. Michail Bachtin sieht die Funktion des Narren "ausschlieBlich im VerauBerlichen" und meint, mit jenem prosaischen Sinnbild, das die Gestalt des Narren in die Literatur eingebracht habe, sei eine "besondere Komplexitat und Vielschichtigkeit" in den literarischen Text gekommen. Durch die Gegenwart des Narren Mephisto wird der hinter der Fassade verdeckte wahre Sachverhalt der hofischen Welt "verduBerlicht und veroffentlicht", was sich zunachst als Umkehrung von 'Weisheit' und 'Narrheit' auBert. Der vergnugungssuchtige, sorglose Kaiser, der das bevorstehende Karnevalsfest ungeduldig erwartet, hort dem Bericht im Staatsrat uber die Missstande des Reichs nur mit halbem Ohr zu und greift sofort zu, als Mephisto ihm einen Sanierungsplan anbietet. Die Schlussworte Mephistos, ad spectatores gerichtet, kundigen an, dass der 'Stein der Weisen', der Rat, den der Narr gab, in den Handen der echten Narren nur ein bloBer Stein bleiben wurde. Im "Mummenschanz" wird der Kaiser, als groBer Pan maskiert, von den gluhenden Goldkesseln fasziniert, die der Reichtumsgott Plutus herbeibrachte. Er schaut gierig in die Feuerquelle des GoldgefaBes, sein Maskenbart fallt, und er fangt Feuer, das die hofische Welt samt seiner ganzen Kaiserpracht zu verbrennen droht. Die Heiterkeit des hofischen Festes ist also nur Fassade, hinter der die schwerste Not des Reichs zum Vorschein kommt. Parallel zu dem langen Maskenzug, der ein sinnloses Spiel zu sein scheint, verlauft heimlich etwas Aktuelles : der Zerfall der alten, feudalen Welt im Zuge der 'neuen Okonomie', durch das Eindringen des modernen Geldwesens verkorpert. Und hier ist es wieder der Narr Mephisto, der dabei ist und diesen Prozess auslost. Vor den Prologen "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel" ist noch einer platziert : "Zueignung". Dieser Prolog, in dem der Dichter in Bezug auf das zu vollendende Stuck selbst den imaginativen Schaffensprozess thematisiert, hat den Charakter einer Metafiktion, einer Dichtung uber die Dichtung. Indem die "Zueignung" vorausgeschickt wird, soll alles Folgende einschlieBlich des "Vorspiels" der Feder des 'schreibenden Narren' Goethe unterliegen, der stets die Perspektive wechselt und das Werk polydimensioniert. Wenn das genus sublime der Erzengel und das genus humile des Mephisto im "Prolog" die beiden Stilpole des Werkes bilden und dazwischen sich das Drama des unter dem Konflikt der zwei Seelen leidenden Faust abspielt, so hat Goethe das Stuck der fundamentalen Gespaltenheit des menschlichen Daseins entsprechend durchstrukturiert. Und in dieser Paradoxie der menschlichen Existenz besteht ein anderer wesentlicher Grund dafur, dass der Narr gefordert wird. Die "tragische Paradoxie, dass der Mensch nur durch den Teufel zu Gott gelangen kann", fordert den Narren. Daher kommt es, dass die Faust-Dichtung als "sebr ernste Scherze" bezeichnet wird. Die Feder des, schreibenden Narren', die mit dem Narren Mephisto durch alle Szenen gelaufen ist, kehrt das 'theatrum mundi' (Welttheater) in die 'Welt des Theaters' um und beschlieBt die ganze Faust-Dichtung, das "Vergangliche" und das "Ewige" ambigue vereinigend. Dies ermoglichte gerade die narrenhafte Perspektive des Werkes.
著者
石橋 諭
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.160, pp.171-187, 2020 (Released:2021-06-04)

Friedrich Nietzsche kritisierte in der frühen Periode seines Schaffens, in der ersten Hälfte der 1870er Jahre, die Bildungssituation im Deutschland seiner Zeit. Dabei folgte er dem Ideal der ganzheitlichen Menschenbildung und einheitlichen Kultur und nahm das antike Griechentum zum Vorbild. Allerdings verwarf er dieses Ideal in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre wieder. Wegen des Bildungsideals seiner frühen Periode betrachtete die bisherige Forschung Nietzsche jedoch als Wiederhersteller des neuhumanistischen Ideals. Hierbei aber wurden die sozialen Kontexte der Bildungssituation außer Acht gelassen und daher auch Nietzsches Kritik an ihr nicht ausreichend analysiert. Deshalb konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die genaue Darstellung seiner Kritik an der Bildungssituation, um zu überprüfen, ob sich die Bildungskonzeption beim frühen Nietzsche tatsächlich auf den Versuch, das neuhumanistische Ideal wiederherzustellen, reduzieren lässt. Hierzu wird in dieser Abhandlung die Kritik am deutschen Bildungsbürgertum in Nietzsches früher Schrift, den „Ersten Unzeitgemäßen Betrachtungen“ ausführlich untersucht, das sich nach dem Sieg des Deutsch-Französischen Krieges (1870-71) herausbildet. Da seine Kritik bisher vor allem im Zusammenhang mit dem neuhumanistischen Bildungsideal interpretiert wurde, Nietzsches Anspruch aber darüber hinausgeht, und das soziale Umfeld nicht berücksichtigt wurde, sind viele wichtige Aspekte weiterhin nicht erschöpfend analysiert. Nietzsche sieht die Fixierung auf die wissenschaftlich objektiven und historisch geordneten Kenntnisse, die in den 1870er Jahren vorherrschten, als zu einem Selbstzweck verkommen an. Hierdurch habe sich der Mensch von seiner eigenen Kultur entfremdet und eine ganzheitliche Bildung des Menschen sei unmöglich geworden. Aber Nietzsche kritisiert die Konzentration auf Geschichtswissen nicht nur vom Standpunkt des antiken Bildungsideals aus. Für ihn ist auch der Einfluss des sogenannten ‚Bildungsphilisters‛ auf die deutsche Kultur angesichts der sozialen Bedeutung der historischen Bildung überaus negativ. Genau diesbezüglich aber wurden bislang die falschen Kontexte als Voraussetzung für Nietzsches Kritik betrachtet; nämlich die Popularisierung der Bildung und der Untergang des Bürgertums am Ende des 19. Jahrhunderts. Aber Nietzsche stellt heraus, dass sich unter den gebildeten Bürgern eine Art privilegierte soziale Schicht, ein „Bildungsbürgertum“, bildet. Als Resultat dieser Entwicklung etabliert sich in der neu entstandenen Bildungsschicht die Vorstellung, dass der erreichte Bildungsstand der höchste in der bisherigen Menschheitsgeschichte sei, den Nietzsche mit dem Schlagwort des Bildungsphilisters als Hybris und ideologisch konstruiert entlarven will. Seiner Meinung nach entstand durch die Vorherrschaft des Historismus eine Kluft zwischen dem Inneren und dessen Ausdruck, die alle Bereiche des Lebens in Deutschland betreffe. Nietzsche bezeichnet diese Situation als stilistisches Durcheinander, „ein System der Nicht-Kultur“. Angesichts dieser sozio-kulturellen Struktur polemisiert Nietzsche ferner gegen das Bekenntnis des Bildungsphilisters zu seiner emotionalen Sensibilität – eine Empfindlichkeit, die er als ein typisches Phänomen seiner Zeit ansieht. (View PDF for the rest of the abstract.)
著者
山本 潤
出版者
日本独文学会
雑誌
ドイツ文学 (ISSN:24331511)
巻号頁・発行日
vol.154, pp.18-39, 2017-03-25 (Released:2018-03-31)

Wie es in der Offenbarung des Johannes repräsentativ ausgedrückt ist, gilt das apokalyptische Denken als ‚eine Strategie der Auslöschung der Geschichte‘, ‚eine Befreiung von Erinnerung‘ (Brokoff/Jakob 2002). Diejenige Dichtung, die in der Blütezeit der mittelhochdeutschen Literatur entstand und deren eschatologisch katastrophische Schlussszene, der Untergang der Heroen und ihrer Welt, in der neuzeitlichen Rezeption besonders starke Beachtung gefunden hat, ist das Nibelungenlied. Der Stoff dieses Werkes, die Stoffe aus der ‚heroic age‘ der Germanen nämlich, galt in einer noch weitgehend auf mündlicher Überlieferung basierenden Kultur als Medium, in dem die Erinnerungen an die großen Könige oder Kämpfer aufbewahrt waren, und es gelang, die dort beschriebenen Heldentaten und die Heldenethik zu verewigen. Solche Heldensagen enthalten oft den Untergang der Protagonisten, aber dieser Untergang selbst trägt auch zur Erinnerung der Heldentaten und der Heldenethik, die sich von der christlichen unterscheidet, bei. (View PDF for the rest of the abstract.)