- 著者
-
伊藤 白
- 出版者
- 日本独文学会
- 雑誌
- ドイツ文学 (ISSN:24331511)
- 巻号頁・発行日
- vol.160, pp.93-108, 2020 (Released:2021-06-04)
Bibliotheken im Allgemein haben bei der Bildung einer „Öffentlichkeit“ im Sinne Habermas ’ wichtige Funktionen, indem sie nicht nur mit ihrem Bestand die Lektüre aller Teile der Gesellschaft fördern, sondern auch Bücher empfehlen, die Bibliothekare für lesenswert halten. So regte z. B. Gotthold Ephraim Lessing, der Dichter und Denker der Aufklärung und Anwalt religiöser Toleranz, eine öffentliche Diskussion gegen orthdoxe Theologie an, indem er als Leiter der Herzog August Bibliothek (HAB) in Wolfenbüttel einen kosmopolitischen und religiös liberalen Bestand bildete und in der Zeitschrift dieser Bibliothek einen antiorthodoxen Aufsatz des aufklärerischen Philosophen Hermann Sammuel Reimarus mit dem Titel „Fragmente eines Ungenannten“ veröffentlichte. In der Zeit des Nationalsozialismus jedoch wurden die Bibliotheken in Deutschland gleichgeschaltet: Die beiden Berufsverbände der Bibliothekare, nämlich der wissenschaftliche Verein der Deutschen Bibliothekare (VDB) und der öffentliche Verband Deutscher Volksbibliothekare (VDV) , wurden in die Reichsschrifttumskammer des NS-Regimes eingegliedert und Bücher, die auf der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ standen, wurden sekretiert. Welche Rolle konnte dann eine Institution wie die „Lessing-Bibliothek“ während des Nationalsozialismus einnehmen oder auch nicht einnehmen, um eine alternative, tolerantere Öffentlichkeit zu erzeugen?
Prof. Dr. Wilhelm Herse, der Direktor der HAB in der NS-Zeit, war einerseits der NSDAP „durchaus wohl gesonnen“. Andererseits sei jedoch „von irgendwelchen das damals übliche Maß überschreitenden politischen Aktionen in der Bibliothek“ nichts bekannt. Es sind sogar zwei Fälle bekannt, die wenigstens scheinbar gegen das NS-Regime wirkten: Ca. 600 alte Drucke in hebräischer Sprache entzog Herse dem nationalsozialistischen Zugriff, indem er ihre Existenz verschwieg. Und er berichtete, dass die in der Bibliothek vorhandene marxistische Literatur „nicht umfangreich“ sei, was den Tatsachen nicht entsprach. Inwieweit sein Verhalten als eine Art Widerstand oder Widerspenstigkeit zu betrachten ist, entzieht sich der Nachprüfbarkeit. Während die bisherige Forschung darin keinen politisch motivierten Widerstandsakt sieht, könnte man daraus wenigstens eine leise Dissonanz zwischen dem NS-Regime und der Bibliothek unter Leitung von Herse heraushören.
Um diese Hypothese zu klären, sollen hier Herses wissenschaftliche Arbeiten analysiert werden. In seinen sieben Essays über Lessing, die im Lessing-Jahr 1929 und kurz danach geschrieben wurden, erwähnt Herse die Freundschaft zwischen Lessing und Mendelssohn objektiv, schätzt Nathan den Weisen hoch ein und argumentiert sogar gegen das damals oft propagierte Lessing-Bild als Befreier vom französischen Einfluss; er behauptet vielmehr, dass Lessing den französischen Aufklärer Voltaire für „recht gut!“ hielt. In seinen in der NS-Zeit veröffentlichten nationalistisch gesinnten Reden und Essays erwies er sich dagegen zwar als dem Nationalsozialismus „durchaus wohl gesonnen“: In einer Rede über Friedrich Schiller zitierte er dessen Ausspruch „göttlich muss eine Lehre sein, für die so freudig gestorben werden kann“; in einem Essay über Wilhelm Raabe begrüßte er mit dem Zitat „Deutschland, großes Vaterland“ aus Der Chronik der Sperlingsgasse den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, und in einem Artikel „Was ist des Deutschen Vaterland?“ schätzte er sogar die „Rückkehr“ des Sudetenlands ins Deutsche Reich positiv ein. Nach dem Krieg dann schreibt Herse wieder einen Essay über Lessing, in dem er Lessings Liebe zur englischen Literatur schildert.
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